Rechte Recken auf dem Vormarsch

Rechte Recken auf dem Vormarsch
Neonazi-Anschläge: Beobachter orten eine Professionalisierung der Szene - auch in Österreich könnte jederzeit eine Terrorzelle auftauchen.

Angesichts des Terrors in Deutschland stellt sich die Frage: Gibt es solche Gruppen auch in Österreich? Wie fruchtbar ist der Boden hierzulande für braune Zell-Kulturen?
Sehr fruchtbar, sagen die Fachleute. Heribert Schiedel ist Experte für Rechtsextremismus im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. "Über die Gewaltbereitschaft der Szene gibt es keinen Zweifel. Gerade die österreichische Szene hatte immer beste Kontakte nach Deutschland, auch nach Thüringen, wo die aktuelle Zelle herkam." Nach dem Mauerfall seien österreichische Neonazis die ersten gewesen, die politische "Aufbauarbeit" im Osten geleistet hätten.

Kontakte

Als im April eine Gruppe in Verbindung mit der Neonazi-Site alpen-donau.info verhaftet worden war, zeigte sich für Schiedel eine neue Qualität der heimischen Szene: "Davor hätte ich ihr nicht das Schmalz zugetraut, Zellen wie in Deutschland zu bilden. Seit alpen-donau.info bin ich mir nicht mehr sicher. Da gab es Kontakte bis in die Ukraine."

Bedenklich ist auch die personelle Kontinuität: Wegen der Website sitzt unter anderem Gottfried Küssel wieder in U-Haft. Er war einer der ersten bei der Vernetzung mit Ostdeutschland, wurde aber 1994 wegen Wiederbetätigung verurteilt - 1999 kam er wegen "guter Führung" frei. Der Falter berichtet, dass Küssel 2007 Redner auf einem Fest in Jena war, das "Kameraden" der deutschen Terroristen organisiert hatten.

Grün-Mandatar Karl Öllinger dokumentiert die Umtriebe der Szene seit 2009 auf stopptdierechten.at - nach eigenen Angaben hat er 30.000 Stammleser. Er glaubt, dass die Gefahr wächst: "Bis in die 90er haben sie sich in Parteien organisiert. Das konnte man gut beobachten - und verbieten. Jetzt bilden sie Zellen, wie im aktuellen Fall in Deutschland. Keine Hierarchie, kein Datenverkehr. Da tut sich auch der Verfassungsschutz schwer."

Die Gruppe um alpen-donau.info (mittlerweile unter einer anderen Adresse abrufbar) sei wenigstens noch rund um das Ego von "Mastermind Küssel" organisiert gewesen, "aber auch da gibt es ja Gerüchte, dass Schusswaffen gefunden wurden" (In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung). Das wollen weder Staatsanwaltschaft noch Verfassungsschutz bestätigen. Schiedel dazu: "Egal, ob das stimmt - mir fällt aus den letzten 20 Jahren keine Razzia bei einer Neonazigruppe ein, bei der man nicht Waffen, Sprengstoff und Anschlagspläne gefunden hätte."

Nähe

Bedenklich ist für Öllinger auch das Verhältnis der Szene zur FPÖ: "2010 hat die damalige Sekretärin von FP-Chef Strache bei einem Streit auf einer Party ihren Freund Küssel per Handy zu Hilfe gerufen. Geht's noch näher?" In der Blütezeit von alpen-donau.info fanden immer wieder Dokumente erstaunlich schnell den Weg aus FP-Mailboxen auf die Seite. Der Verfassungsschutz sieht im Gegensatz zu Schiedel und Öllinger "keine ernsthafte Gefahr". Karl-Heinz Grünböck, Sprecher des Innenministeriums, sagt zum KURIER: "Es gibt eine Szene, das ist evident. Aber sie ist gleichbleibend niedrig. Wir gehen nicht von staatsgefährdenden Aktivitäten aus."

Öllinger kontert: "Bei uns war Verharmlosung schon immer ein Teil des Programmes." Schiedel: "Ich will nicht den Teufel an die Wand malen. Aber natürlich wird es weitere Fälle geben. Es gibt kein Problembewusstsein bei den Behörden, es wird nichts in Prävention investiert."

Kommentare