Pussy Riot: Weiter Warten auf Urteil

Milde - Das erhofft sich die Verteidigung im umstrittenen Prozess gegen die Moskauer Punkband Pussy Riot. Die jüngsten Appelle von Popstar Madonna sowie den mehr als 100 deutschen Bundestagsabgeordneten könnten die Justiz zum Einlenken bewegen, sagte Anwalt Nikolai Polosow am Mittwoch in Moskau.
Die drei angeklagten Musikerinnen hatten am letzten Prozesstag noch einmal Gelegenheit, sich zu ihrem Protest gegen Putin in der Erlöserkathedrale am 21. Februar zu äußern. Eine der drei, Nadeschda Tolokonnikowa, verglich den Prozess am Mittwoch mit der Stalin-Ära, berichtet BBC-Korrespondent Daniel Sandford über Twitter. Auf ihrem blauen T-Shirt trug die junge Frau den Schlachtruf der spanischen Linken gegen Franco im Bürgerkrieg: "No pasarán" ("Sie werden nicht durchkommen").
Nach ihrem Plädoyer gab es lautstarken Applaus aus dem Publikum. Der Richter sei nicht erfreut gewesen: "Wir sind hier nicht in einem Zirkus". Die Urteilsverkündung wurde auf den 17. August verschoben. Es drohen drei Jahre Haft.
Orthodoxe Kirche diktiert
Im Abschlussplädoyer am Dienstag führte der Staatsanwalt aus, dass das Vergehen der Pussy Riot so "schwer" sei, dass sie "von der Gesellschaft isoliert" und es einen "echten Entzug von Freiheit" geben müsse. Er beantragte ein hohes Strafmaß für Nadeschda Tolokonnikowa (22), Jekaterina Samuzewitsch (29) und Maria Aljochina (24). Ihr Vergehen? Sie hatten im Februar in einer Kirche ein gegen den damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin gerichtetes Lied vorgetragen.
Der Staatsanwalt folgte damit auch der orthodoxen Kirche, die harte Strafen für den Auftritt in Moskaus Erlöser-Kathedrale forderte. Das Verfahren wurde in aller Schnelle abgehalten, mit Marathon-Sitzungen bis spät in den Abend.
Anklage: "Feminismus ist eine Todsünde"

Die Frauen wurden von der Anklage gar in die Nähe von Teufelsbesessenen gerückt, der Feminismus sei eine "Todsünde - so wie alles Unnatürliche im Leben". Auch das russische Staatsfernsehen berichtete im Vorfeld von den "Gottesschändern" und bezeichnete den Auftritt als "Kanonenfutter im Krieg gegen die Seele des Volkes".
Kommentatoren sprechen von einem beispiellosen Justizskandal mit dem Ziel, die Opposition gegen Putin einzuschüchtern. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die seit März inhaftierten Frauen von Pussy Riot als politische Gefangene anerkannt. Weitere Stimmen in Russland stellen sich klar auf die Seite der Musikerinnen. Die
Moscow Times bezeichnete den Prozess Anfang August gar als "Hexenjagd, die ans Mittelalter erinnert."
Und in einem Protestbrief von über 100 russischen Künstlern an das Oberste Gericht heißt es: "Russland ist ein weltlicher Staat, und keine antiklerikalen Handlungen, soweit für diese keine Artikel des Strafgesetzbuchs gelten, können eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen."
Auch die Europäische Union hat sich besorgt über den Prozess gezeigt. Dabei gehe es um "Unregelmäßigkeiten" seit der Verhaftung der drei Frauen im März, die Umstände der Untersuchungshaft sowie das Tempo des Gerichtsverfahrens, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel.
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