Polen: Premiere für einen Premier

Donald Tusk und seine liberalkonservative Bürgerplattform (PO) haben es geschafft. Laut Nachwahlbefragungen haben sie die polnischen
Parlamentswahl vom Sonntag klar gewonnen. Damit schafft es erstmals seit der Wende 1989 ein Premier, nach einem Urnengang im Amt zu bleiben. Der 54-Jährige in einer ersten Reaktion: "Wir werden für euch alle da sein, egal, wen ihr gewählt habt."
Die PO kam demnach auf fast 40 Prozent der Stimmen. Der schärfste Rivale von Tusk, Jaroslaw Kaczynski mit seiner national-konservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), konnte lediglich 30 Prozent der Stimmen für sich verbuchen und wird weiter die Oppositionsbank drücken müssen.
Eine Überraschung lieferte der unorthodoxe Politiker Janusz Palikot. Mit seiner gleichnamigen Liste konnte der frühere PO-Abgeordnete zehn Prozent der Stimmen einsammeln. Und das trotzdem er im katholischen Polen für ein Zurückdrängen des Einflusses der Kirche und für den freien Zugang zu Empfängnisverhütungsmittel geworben war.
Die Bauernpartei (PSL), der bisherige PO-Koalitionspartner, erzielte knapp mehr als acht Pozent der Stimmen, die Linkspartei etwas weniger als acht Prozent.
Bonus genutzt
Tusk konnte offenbar den Bonus des Regierungschefs voll nutzen. Im Wahlkampf präsentierte er sich stets als Garant der Stabilität in Krisen-Zeiten. Zudem versprach er umgerechnet 67,5 Milliarden Euro an Förderungsgeldern aus Brüssel nach Polen zu kanalisieren.
Kaczynski hatte dem wenig entgegenzusetzen. Als Anwalt des "kleinen Mannes" und als Beschützer des Vaterlandes umgarnte er die Polen. Doch seine nationalistischen Ausfälle - den Deutschen warf er Großmachtstreben vor - waren nicht mehrheitsfähig.
Viel Zeit zum Feiern bleibt dem Sieger der
Parlamentswahl aber nicht, denn weitere Reformen gehören dringend angepackt. So ist der Staatshaushalt durch ein Defizit von sieben Prozent belastet. Ein radikaler Sparkurs ist nötig, denn das Land will der Eurozone beitreten. Als Initiator des EU-Programms "Östliche Partnerschaft" muss Polen auf die antidemokratischen Tendenzen in Weißrussland und der Ukraine reagieren, gleichzeitig will Polen für eine größere Anbindung beider Länder durch Freihandelszonen und Visa-Erleichterungen an die EU werben.
Die neue Regierung muss auch den sozial Schwachen unter die Arme greifen. Nach einer Erhebung des Hauptamts für Statistik leben in Polen 2,2 Millionen Menschen in Armut, auf dem Land verbreite sich das Phänomen unterernährter Kinder, da armen Gemeinden das Geld für eine ausreichende Schulspeisung fehlt.
Schlechte Jobchancen
Waren es früher ältere Arbeiter, wie die unter dem Banner der Solidarnosc demonstrierenden Bergleute, die für Krawall sorgten, so wird sich wohl der Zorn junger Akademiker auf
Polens Straßen manifestieren, sollten sich deren prekäre Jobaussichten nicht bessern.
Auch das Gesundheitswesen ist reformbedürftig. Zu entscheidenden Schritten besaß aber noch kein Kabinett den Mut. Die staatlichen Krankenhäuser sind überschuldet und haben ihr Budget oft im Herbst aufgebraucht, sodass Patienten am Ende des Jahres nur notdürftig versorgt werden . Die Tusk-Regierung entwarf im März ein Konzept, um Krankenhäuser zu selbstständig wirtschaftenden Einheiten umzuwandeln, diese Reform wurde aber nicht umgesetzt.
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