Polen: Die große Roadshow des Premiers

Polen: Die große Roadshow des Premiers
Die Parlamentswahlen werden für Donald Tusk zur Zitterpartie. Auf einer Bus-Tour wirbt der Regierungschef daher um jede Stimme.

Warschau, kurz vor zehn Uhr Früh. Die Oktobersonne lässt die Staatskanzlei glänzen, der "Tusk-Bus" ist startbereit. Und dann kommt auch schon die Hauptfigur: Donald Tusk, Polens Premier, und nach eigener Aussage die einzige Wahl, die das Land bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag hat.

Doch ehe Tusk einen Satz in das Mikrofon vor dem Bus sagen kann, springen Greenpeace-Aktivisten mit einem Transparent ins Bild und fordern saubere Luft statt Geldpolitik. Tusk bleibt ruhig, lädt die Truppe für einige Fahrtkilometer zur Debatte in seinen Bus ein. Motto: Spontanität kommt gut, das Gespräch mit Freund und Gegnern ebenso.

Kaczynski holte auf Noch vor zwei Monaten suggerierten Umfragen, dass Tusk mit seiner konservativ-liberalen "Bürgerplattform" erstmals in der polnischen Geschichte eine zweite Parlamentswahl klar gewinnen werde. Als jedoch die Wirtschaftskrise für zunehmende Unzufriedenheit vor allem bei jungen Leuten sorgte und Jaroslaw Kaczynski, sein Opponent von der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), an Stimmen zulegte, entschloss sich der Premier zu einem noch intensiveren Kontakt zu den Wählern. Seit Mitte September tourt der Tusk-Bus durchs Land.

Es sei jetzt Schluss mit lustig, meint der Premier beim Warschauer Presse-Briefing. Angesichts der europäischen Krise bitte er die Polen eine Partei zu wählen, die für stabile Verhältnisse sorgen kann. Nach einem Fototermin mit Schulkindern rollt der Tusk-Bus dann endlich los. Es geht in den armen Südosten des Landes, in die Wojewodschaft Lublin. Hier hat sein Rivale Kaczynski mehr Stimmen, da er die wirtschaftsliberale Regierungspolitik für die dortige Armut verantwortlich macht. Doch zunächst steht der Tusk-Bus im Stau, auch die schlechte Infrastruktur ist ein klarer Schwachpunkt des Landes, "Polen im Bauprozess" heißt darum das Wahlmotto der Bürgerplattform.

Kaum in der Kleinstadt

Polen: Die große Roadshow des Premiers

Ryki angekommen, stellt eine junge Frau mit ihren Kindern den Premier zur Rede - sie betreibe eine Internet-Firma, doch die Behörden legten ihr nur Steine in den Weg, sie wisse nicht mehr weiter. Tusk hört konzentriert zu. Diese Frau wäre eine typische "Bürgerplattform"-Wählerin: jung und unternehmerisch, jemand, der nicht vom Staat abhängig sein will und nun von Staatsdienern in der Selbstständigkeit gefährdet wird. Dies ist unangenehm für den Wahlkämpfer, "ich werde das prüfen", murmelt er, bevor es weitergeht in die Stadt Lublin.

Dort wird Tusk von etwa 50 Fußball-Ultras mit unflätigen Drohungen begrüßt. Hintergrund: Der Premier begegnet der Gewalt in den Stadien angesichts der Heim-Europameisterschaft 2012 mit einer Null-Toleranz-Politik. Die radikalen Fans suchen daher auf seiner Tour immer wieder die Konfrontation. Kaczynski will diese als Wähler gewinnen, er hatte die Fußballfans als "Patrioten" bezeichnet. Wenn die Demokratie in der Version der PiS so aussehe, dass die "Hooligans" regieren, dann sei das kurz vor der Wahl gut zu wissen, kontert Tusk kurz darauf in der Uni-Kneipe "Archiwum".

Keine Jobs für Akademiker

Die in dem Lokal versammelten Studenten sind kultivierter im Auftritt, jedoch ebenfalls unzufrieden. Viele können im strukturschwachen Lublin ihr Studium nicht mehr finanzieren. In ganz Polen ist jeder vierte Absolvent unter 24 Jahren ohne Job. Tusk predigt den Glauben an sich selbst. Er habe es geschafft, in den harten 80er-Jahren seine Familie zu ernähren, musste als Akademiker Industrieschlote reinigen.

Am nächsten Morgen in Krakau: Der Premier verlässt im Trainingsanzug das Hotel, er will zu einem Volkslauf. Zuvor noch eine Frage: Hat sich sein Blick auf Polen durch die Bustour verändert? "Nein", meint er gegenüber dem Reporter, "aber vertieft." Bis einschließlich Freitag wird Tusk noch touren - ob es sich ausgezahlt hat, weiß er am Sonntagabend.

Umfragen: Tusk nur mehr knapp vor Rivalen Kaczynski

Nach letzten Umfragen führt die liberal-konservative Regierungspartei "Bürgerplattform" PO, aber nur knapp: 30,1 Prozent der Polen wollen, dass Premier Tusk weiterregiert. Die national-konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" ( PiS) unter Jaroslaw Kaczynski kann mit 29,1 Prozent der Stimmen rechnen. Kaczynski war von 2006 bis 2007 polnischer Premier und polarisierte das Land mit seinem autoritären Regierungsstil.

Der Sieger wird jedenfalls mindestens einen der folgenden kleineren Parteien zum Koalitionspartner wählen müssen: Die Bauernpartei PSL, der bisherige Juniorpartner der PO, gilt als am berechenbarsten, ihr werden 10,4 Prozent prophezeit. Der "Demokratischen Linksallianz" SLD werden 9,9 Prozent prognostiziert. Den Postkommunisten fehlt es an einem überzeugenden Konzept. Neun Prozent der Polen sollen für die "Bewegung Palikot" stimmen. Janusz Palikot war bis 2010 Abgeordneter der PO, er gilt als Exzentriker, der sich für eine größere Kontrolle der Politikerkaste ausspricht. Die Wahlbeteiligung dürfte unter 50 Prozent bleiben.

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