Palästinenser fordern die Weltpolitik

Die Palästinenser wollen sich von der UNO als Staat anerkennen lassen. Israel legt sich vehement quer - und misstraut auch der UNO.

In Kairo wird die israelische Botschaft gestürmt. Im jordanischen Amman wird sie vorsorglich geräumt. Aus Istanbul tuckern Kanonenboote vor Israels Küste. Blickt die UNO-Generalversammlung diese Woche auf den Nahen Osten, steht ganz oben auf ihrer Tagesordnung immer nur EIN Problem: Israel und die Palästinenser. Alles andere scheint zweitrangig: Straßenkämpfe in Syrien? Arabischer Frühling? Kurdische Freiheit? Iranische Atombombe?

Misstrauen

In Umfragen halten sich die Sympathien der Israelis für die UNO sehr in Grenzen. Regelmäßig haben über 70 Prozent kein Vertrauen in die Weltversammlung mit ihrem automatischen Anti-Israel-Block aus arabischen und muslimischen Staaten. In den verschiedenen UN-Gremien stand Israel häufiger am Pranger als alle Schurken dieser Welt.

Von Saddam Hussein bis Gaddafi. Fast alle Israelis zitieren gerne einen Ausspruch ihres Staatsgründers David Ben Gurion: "UNO Schwuno!" Und das, obwohl Israels Staatsgründung nach einem UNO-Beschluss erfolgt war. "Danach kam eben nichts mehr Gutes für uns", sagte einmal der Satiriker Ephraim Kishon, "darum begehen wir diese Abstimmung jedes Jahr mit einem Gedenktag."

Zwischen ein paar Protestzelten im Tel Aviver Rothschild-Boulevard sitzt auch Aharon. Der 43-Jährige harrt im Zelt aus, weil er einfach keine Wohnung mehr hat, in die er zurückkehren könnte. Sein Schild: "Protest und Gerechtigkeit - in Kairo, Tunis wie in Tel Aviv!" hat er abgenommen: "Schade, ich dachte wirklich, der arabische Frühling bringt die Araber dazu, sich mit ihren wirklichen Problemen zu beschäftigen, statt immer nur Israel an allem die Schuld zu geben", meint er.

Soziologen, die die Gründe des jüngsten israelischen Bürger-Protests in den Zeltstädten noch untersuchen, sehen immer noch eine Verbindung zwischen dem Arabischen Frühling und Israels Mittelstands-Revolte gegen Preiswucher und Sozialabbau. "Eine wachsende Mehrheit in Israel glaubt kaum noch an eine Friedensregelung. Sicherheit ist ohne politische Hoffnung zu einer unveränderlichen Konstante geworden", heißt es in einem Arbeitspapier, "der Verhandlungsprozess verliert so seine frühere Vorrangstellung. Die Israelis kehren in sich selbst zurück und ihre soziale Probleme rücken nach oben."

Nissim Soziali führt einen kleinen Lebensmittelladen in Jaffo und sieht sich als Ex-Istanbuler auch als Experte für türkische Angelegenheiten. Der türkische Premier Erdogan sei verzweifelt, mutmaßt Soziali: "Mit seinen Ex-Kumpels Gaddafi und Assad sieht Erdogan jetzt vor der arabischen Welt klein aus. Also plustert er sich groß auf. Da muss dann Israel herhalten, das macht er mit Schaum vor dem Mund. In Kairo jubeln ihm die Massen dann wenigsten laut zu. Die mögen wahrscheinlich eine gute Stimmung, aber noch lange keinen Erdogan als neuen Großsultan. Die jubeln laut, lassen sich aber nicht leise von ihm vor den Karren spannen."

"Kommt nix raus"

Nebenan im Café Dina sitzt Jussuf, seines Zeichens Vorsitzender des hiesigen "Parlaments". So heißen in Israel die Stammtisch-Runden. Der 33-jährige arabische Lehrer winkt ab, wenn es um den Antrag auf Anerkennung eines Staates Palästina geht: "Da kommt doch nix dabei raus. Palästinenser-Präsident Abbas signalisiert doch schon, dass er vom Baum runter will. Aber Netanyahu ist einfach unfähig, eine Leiter zu halten. Sechs Wochen Baustopp in den jüdischen Siedlungen würden doch schon genügen, um die Lage ein wenig zu beruhigen."

Abu George, zu seinen Füßen liegen gleich zwei geliebte Hunde, kennt die Nutznießer dieses Dilemmas: "Ob Abbas seine Anerkennung vor der UNO durchzieht oder zurückzieht - im Hintergrund sitzen sowieso schon die Mega-Muslime von der Hamas und reiben sich die Hände. Sie sehen gut aus, so oder so."

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