Neuordnung der ÖVP vorläufig vertagt

Ein Mann in Anzug spricht vor Mikrofonen, flankiert von zwei weiteren Personen vor einem ÖVP-Banner.
ÖVP-Chef Michael Spindelegger wollte seine Regierungsteam im großen Stile umbauen – zurück bleibt jetzt nur ein Scherbenhaufen.

Egal, mit wem man in der ÖVP in diesen Tagen spricht. In einem sind sich die Spitzenfunktionäre einig: Parteichef Michael Spindelegger hat sich in eine veritable Krise manövriert. Und es ist nicht absehbar, ob er sie unbeschadet übersteht. Seit Tagen wird über Rochaden im Führungsteam spekuliert, am Donnerstag eskalierte die Lage schließlich fast. Ein Treffen der ÖVP-Elite in der Politischen Akademie in Wien-Meidling wurde von der gewöhnlich nüchtern berichtenden  Austria Presse Agentur im Vorfeld als "Krisensitzung" bezeichnet.  Angereist kamen die Granden zum Teil mit versteinerten Mienen; Journalisten wurden von Sicherheitskräften  vom Grundstück ferngehalten.

Dementi

Nach der Sitzung waren die ÖVP-Granden demonstrativ um Einigkeit bemüht. Als Spindelegger kurz vor 21 Uhr vor die Medien trat, beteuerte er: Es sei nur um die Herbst-Strategie gegangen; man habe mit den Landesparteichefs die Heeres-Volksbefragung geplant. Personalrochaden seien nie Thema gewesen. Die Gerüchte hätten keinerlei Substanz.

Partei-intern ist es aber ein offenes Geheimnis, dass Spindelegger eigentlich Maria Fekter, Karlheinz Kopf und Fritz Neugebauer in andere Funktionen schieben wollte, um selbst Finanzminister zu werden. Das Kalkül: Spindelegger glaubt, sich als Beschützer des Steuergeldes der Österreicher präsentieren zu  können – und so neben Kanzler Werner Faymann innenpolitisch mehr Gewicht denn als Außenminister zu bekommen. 

Kettenreaktion

Als Konsequenz hätte Fekter Klubobfrau im Parlament, der aktuelle Klubchef Kopf Zweiter Nationalratspräsident werden sollen. Und damit dieser Posten frei wird, hätte Neugebauer Pensionist werden sollen. Am Mittwoch spitzte sich die Situation zu:  Spindelegger trommelte die Partei-Granden zum Donnerstagstreffen in Wien zusammen  – ohne Kopf einzuladen oder zu informieren.   

Kopf  – formell nicht Mitglied der Granden-Runde – fürchtete eine Demontage  in Abwesenheit. Kopf und seine Freunde im  Wirtschaftsbund begannen heftig quer durch die Partei zu telefonieren. Das idyllische Tiroler Dorf Alpbach, wo sich derzeit die Spitzen des ÖVP-Wirtschaftsbunds aufhalten, wurde so zum schwarzen Widerstandsnest gegen den ÖVP-Chef.

Das Ziel: Die Personalrochade sollte platzen. Aus Rache streuten sie Gerüchte, Spindelegger werde von Fekter als ÖVP-Chef abgelöst – angesichts ihrer bescheidenden Umfragewerte ein Himmelfahrtskommando.

Aber damit war endgültig Feuer am ÖVP-Dach. Noch in der Nacht vor der großen Sitzung  kam es zu einer langen Aussprache zwischen Spindelegger und Fekter, die mit einem Jobwechsel keine rechte Freude hatte. Spindelegger musste sein Vorhaben  auch abblasen, weil er unter den mächtigen ÖVP-Landeschefs für seinen Wechsel ins Finanzressort keine Mehrheit fand.

Offiziell hatte vorab nur Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl offen gesagt, was für ihn Sache ist: "Eine Ablöse von Fekter oder Kopf steht derzeit überhaupt nicht zur Diskussion. Ich erwarte, dass die Gerüchte aus der Welt geschafft werden."

Nach der Sitzung am Donnerstag sagte er zufrieden: "Ich habe Recht behalten." Gerade der Wirtschaftsbund fühlte sich durch Spindeleggers Pläne übergangen und bangte um Einfluss. Fekter stammt wie Kopf aus dem Wirtschaftsbund; mit Spindelegger hätte ein Vertreter des VP-Arbeitnehmerflügels ÖAAB das wichtige Finanzministerium übernommen.

Kopfschütteln

Abseits des internen Machtkampfes gibt es  laut Insidern auch inhaltliche Einwände gegen den Wechsel: Es sei nicht gesagt, dass Spindelegger als Finanzminister mehr Präsenz hätte.  Dank Schulden- und Eurokrise müsse der  Finanzminister mehr in Brüssel  sein als daheim.  Diese Erfahrung habe schon Spindeleggers Vorgänger Josef Pröll gemacht. "Wo bitte soll da der Mehrwert sein?", schimpfte ein Grande. Zudem ist die Art und Weise, wie der Niederösterreicher die Partei führe, nicht nach dem Geschmack einiger   zuwendungsbedürftiger Bünde- und Landesparteichefs.

"Der Michl entscheidet vieles allein und im kleinen Kreis", sagt ein hochrangiger ÖVP-Funktionär. Insbesondere die Vorarlberger, Oberösterreicher und Steirer mokieren  sich darüber, zu wenig Beachtung zu bekommen. Und so sollen auch die Bestellungen des Steirers Reinhold Lopakta (Staatssekretär im Außenamt) und des Oberösterreichers August Wöginger (ÖAAB-General) Zugeständnisse von Spindelegger gewesen sein, diese Fronten zu befrieden.

Trotz des Widerstandes gilt Spindeleggers Plan aber nur als vertagt: Sollte die SPÖ wie kolportiert tatsächlich ihr Team im Frühjahr 2013 umbilden, könnte auch Spindelegger einen neuen Anlauf nehmen, um sein Team  ein halbes Jahr vor der Wahl umzubauen. Donnerstagabend sagte er allerdings: "Ich bin mit dem Team sehr zufrieden und will mit ihm auch in die Wahl gehen."

Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek, der selbst 1995 abgesägt wurde, warnt wiederum Spindelegger. Er sehe Indizien, dass es für den VP-Chef gefährlich werde. In Alpbach habe er registriert, dass man ihm einen Erfolg bei der Wahl nicht zutraue. Und er habe auch vielen etwas versprochen, das er nicht gehalten habe.

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