"Neue demokratische Ära" in Libyen

Ein Mann hält eine libysche Flagge und zeigt ein Siegeszeichen.
Großen Andrang gab es bei den ersten Parlamentswahlen seit dem Sturz Gaddafis am Samstag. Vereinzelt wurden aber Störaktionen gemeldet.

Die erste freie Parlamentswahl in Libyen nach Jahrzehnten der Gaddafi-Herrschaft ist vom Westen als Beginn einer neuen Ära begrüßt worden. US-Präsident Barack Obama sprach am Samstag von einem "Meilenstein" beim Übergang des nordafrikanischen Landes zur Demokratie. Knapp neun Monate nach dem Tod Muammar al-Gaddafis wählten die Libyer ein Parlament, das eine neue Regierung benennen und die Bildung einer Verfassungskommission vorbereiten soll.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte, die Parlamentswahl markiere den "Beginn einer neuen demokratischen Ära". Die Libyer hätten in einem "Klima der Freiheit" gewählt.

Lange Schlagen vor den Wahllokalen

Die Wahlbeteiligung erreichte nach ersten Informationen der Wahlkommission 60 Prozent. "Es gehen noch weitere Berichte ein, aber die Zahl der Wähler hat 1,6 Millionen erreicht, das sind 60 Prozent der Stimmberechtigten", sagte der Leiter der Wahlkommission, Nuri al-Abbar, in der Hauptstadt Tripolis. Vor den Wahllokalen in der Hauptstadt Tripolis bildeten sich bereits am Samstagmorgen lange Schlangen. Der Großteil der Libyer nahm die Wahl mit Begeisterung auf. Analog zum Ruf der libyschen Revolutionäre "Erhebe dein Haupt, du bist ein freier Libyer!", fotografierten einige Wähler nach der Stimmabgabe ihre mit Tinte aus dem Wahllokal gefärbten Finger, und jubelten: "Erhebe deinen Finger, du bist ein freier Libyer!".

Rund 2,7 Millionen Wahlberechtigte hatten sich auf die Liste für die Wahl zur Nationalversammlung setzen lassen. Insgesamt wurden 200 Mandate vergeben, für die sich mehr als 3700 Kandidaten bewarben. Mit ersten Ergebnissen wurde für Montag oder Dienstag gerechnet. Wenn die neue Nationalversammlung zusammentritt, soll der bisherige Nationale Übergangsrat seine Macht verlieren. Ein Datum dafür gibt es jedoch noch nicht. Von den 200 Abgeordneten sollen 100 aus dem Westen des Landes, 60 aus dem Osten und 40 aus den südlichen Wüstengebieten stammen. Dabei sind 120 Mandate für unabhängige Kandidaten und 80 für Vertreter von Parteien und anderen politischen Organisationen reserviert. Unter den zur Wahl zugelassenen Kandidaten waren 629 Frauen.

Das nordafrikanische Land war mehr als vier Jahrzehnte lang autoritär von Gaddafi regiert worden, der nach einem Aufstand im vergangenen Jahr auf der Flucht getötet wurde.

Vorsprung für liberale Allianz


Schon jetzt zeichnet sich ein deutlicher Vorsprung für die liberale Allianz von Mahmoud Jibril ab. Wahlbeobachter meldeten nach Wählerbefragungen, in der Hauptstadt Tripolis und in Benghazi habe die Allianz des ehemaligen Übergangsministerpräsidenten die meisten Stimmen erhalten. In der Allianz der Nationalen Kräfte sind mehr als 40 kleine Parteien zusammengeschlossen, die sich an dem Aufstand gegen Gaddafi beteiligten. Die Islamisten von der Muslimbruderschaft hätten den zweiten Platz belegt. Rund 60 Prozent der 2,8 Millionen registrierten Wähler hatten bei der ersten demokratischen Wahl seit Jahrzehnten am Samstag ihre Stimme abgegeben.

 

Störversuche

Der Wahlgang wurde in mehreren Regionen erheblich gestört, vor allem im Osten des Landes. So konnten in der Stadt Ajdabiya mehrere Wahllokale nicht öffnen. Örtliche Vertreter berichteten von einem Angriff, bei dem ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt wurden. Kurz vor der Wahl waren in Ajdabiya bei einem Brandanschlag Stimmzettel, Wählerlisten und Wahlurnen zerstört worden.

Wahlkommissionschef al-Abbar äußerte sich dennoch zufrieden mit dem Verlauf der Wahl. Nur 24 von 1554 Wahllokalen hätten nicht geöffnet werden können, sagte er. Der deutsche FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, der ein Team von 21 EU-Beobachtern in Libyen leitet, sagte, die meisten Menschen hätten friedlich und ohne Einschüchterung ihre Stimme abgeben können. Allerdings werde die Bekanntgabe der Ergebnisse noch ein wichtiger Moment im Wahlprozess sein.

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