Neonazis hatten auch Politiker im Visier
Für Donnerstag wurde die erste Aussage von
Beate Zschäpe erwartet, dem einzigen weiblichen Mitglied der Neonazi-Gruppe, der seit 2000 mindestens zehn ausländerfeindlich motivierte Morde und andere Verbrechen angelastet werden. Ob sich die Pressemeldung bewahrheitet und die Erkenntnisse eines langen Verhörs gleich an die Öffentlichkeit gelangen, war aber nicht absehbar.
Die 36-jährige arbeitslose Zschäpe hatte sich vorvergangene Woche der Polizei gestellt, nachdem zuvor die beiden Haupttäter der Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" Selbstmord begangen hatten und sie selbst mit der Sprengung der gemeinsamen Unterkunft in Zwickau versucht hatte, Spuren zu verwischen. In den Resten der Wohnung wurde unterdessen eine Liste neuer Mordopfer, darunter Bundespolitiker mehrerer Parteien, gefunden. Zschäpe verlangte bisher für ihre Aussage eine Strafminderung. Diese ist nach deutscher Rechtslage aber unwahrscheinlich.
Blind
Auch ohne ihre Aussage wirft das Versagen der Behörden bei der Aufdeckung und frühen Verhinderung der Taten immer neue Fragen auf. So wurde bekannt, dass der vierte Mann der Gruppe, der am Sonntag verhaftete Unterstützer Holger G., dem
Verfassungsschutz von Niedersachsen als gefährlich und in der Neonazi- Szene vernetzt bekannt war. Obwohl 1999 als Helfer des Trios identifiziert, wurde er weder verhaftet noch weiter beobachtet. Der Leiter des Amtes räumte das Versäumnis ein.
Sein früherer Kollege in Thüringen, aus dem die Bande stammte und wo sie offenbar die meiste Zeit untergetaucht war, betonte, dass keiner von ihnen je als "V"-Mann angeworben worden sei. Solche Vertrauensleute in der Szene bezahlt der Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) als Spitzel, um sie so besser zu überwachen.
Auch ein Agent des hessischen Verfassungsschutzes, der im rechtsradikalen Milieu wegen seiner Nazi-Nähe "kleiner Adolf" genannt wird, steht im Zwielicht. Er war während eines Mordes an einem türkisch-stämmigen Internetcafé-Besitzer durch die Bande offenbar anwesend und soll auch bei drei anderen Morden in der Nähe gewesen sein. Bei ihm wurden später Waffen und Nazi-Literatur gefunden. Der Mann ist heute normaler Beamter in Hessen. Der Neonazi-Terror verstärkt die politische Diskussion um einen neuen Anlauf zum Verbot der NPD, das 2003 vom Verfassungsgericht wegen deren Durchsetzung mit V-Leuten abgelehnt worden war.
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