Merkels letztes Aufgebot

Ein Mann mit Brille, Anzug und roter Krawatte blickt in die Kamera.
Deutschland: Der Ersatz von Umweltminister Röttgen durch ihren Vertrauten Altmaier ist mehr als eine Mini-Regierungsumbildung.

Wenn Peter Altmaier vor Publikum spricht, lehnt er am liebsten vor der ersten Reihe, statt wie andere am Podium zu sitzen. Immer spricht er glasklar, schnell und möglichst mit persönlichen Bezügen. Selbst wenn politische Ereignisse über ihn hereinbrechen, wie etwa am Mittwoch Abend. Da musste er wie aus heiterem Himmel die Nachfolge des im Handumdrehen aus dem Amt beförderten Umweltministers Norbert Röttgen antreten.

So lässig wie er geht kein CDU-Spitzenmann mit den kritischen Berliner Politik-Journalisten um. Auch bei überzeugten Linken genießt der schwergewichtige 1,93-Mann Achtung. Und das, obwohl er seit Längerem einer der engsten Vertrauten von Kanzlerin Merkel ist. Der 53-Jährige geht auf alle zu, sein Wort hat Gewicht und hält: Er kann mit jedem.

Das galt vor allem für die 237 Abgeordneten der Unions-Fraktion, deren erster Geschäftsführer er in dieser Legislaturperiode war. Sein Job heiße im britischen Parlament "Einpeitscher", stellte sich Altmaier sich bei Ausländern gerne vor. Als engster Mitarbeiter von Fraktionschef Volker Kauder musste er bisher bei heiklen Abstimmungen abweichungslustige Abgeordnete auf Parteilinie bringen. Und die gibt es in einer solchen Riesenfraktion immer. Altmaier konnte das so gut, dass keiner seiner Kollegen sich verletzt fühlte. Auch bei den wichtigsten Abstimmungen der Legislaturperiode zur abrupten " Energiewende" und zur sogenannten Euro-Rettung, hart am Rande der Verfassung.

Leutselig

Vor allem für Letztere war Altmaier nicht nur taktisch, sondern aus voller Überzeugung. Als Saarländer ist das kein Wunder: Aus den Fenstern des besten Hotels der Landeshauptstadt sieht man die französische Grenze. Auch war Altmaier vier Jahre lang Beamter der EU-Kommission in Brüssel. Keiner in der Regierung spricht so elegant Französisch. Ganz sicher aber kocht keiner wie er, Einladungen des Junggesellen in seine Berliner Altbauwohnung sind legendär. Auch da ist Frankreich nah.

Kollegen aus fernen Bonner Zeiten erinnern sich noan den hageren Altmaier mit langen Haaren, der mit Grünen Kollegen abends unterwegs war. Heute ähnelt er in der bulligen Statur seinem Vorbild Altkanzler Kohl, den er aber in den letzten Jahren seiner Amtszeit vergeblich zu Reformen drängte.

Altmaiers Leutseligkeit drückt sich auch per Smartphone aus: Keiner in der oberen Etage der Bürgerlichen twittert so viel wie er. Oft so offen, dass es an politischen Selbstmord grenzte.

Opfer

Altmaier wird schwer ersetzbar sein in seinem bisherigen Job. Die Personaldecke der Kanzlerin ist aber längst so dünn, dass sie dieses Opfer bringen musste: Die Energiewende, das Prestigeprojekt ihrer jetzigen Amtszeit, ist gefährdet. Nur Altmaier kann es retten.

Weil sie dies Röttgen nicht mehr zutraute, musste der gehen. Er war nicht nur von dem weitgehend selbst verschuldeten Desaster bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen geschwächt. Auch dass der intellektuell spröde Röttgen zuletzt die Wahl zur Abstimmung über ihre Eurorettung stilisieren wollte, nahm ihm Merkel schwer übel. Dass er ihre zweimalige Aufforderung, von sich aus zu gehen, ignorierte, führte zu ihrem bisher einmaligen Schritt: Sie selbst verkündete kühl in 63 Sekunden seine Entlassung und in 37 weiteren Sekunden die Bestellung Altmaiers.

Merkels unglückliche Hand in der Wahl ihrer Hoffnungsträger

Es war wohl eines der jämmerlichsten Spektakel in der deutschen Nachkriegspolitik. Nach monatelangem Katz- und Maus-Spiel mit den Medien war Christian Wulff als Bundespräsident endgültig untragbar geworden. Die Kanzlerin, die ihrem politischen Günstling so lange den Rücken gedeckt hatte, musste ihn schließlich zum Abschuss freigeben. Im Februar 2012 trat er nach nicht einmal zwei Jahren Amtszeit ab. Aber schon Wulffs Vorgänger, Horst Köhler, hatte sich auf unrühmliche Weise vorzeitig aus dem Amt verabschiedet. Nicht wegen umstrittener Freundschaften wie Wulff, sondern aus kindischer Beleidigtheit ließ Köhler über Nacht alles liegen und stehen.

Nicht nur zwei von ihr favorisierte Bundespräsidenten, auch einige Minister sind Merkel früh abhanden gekommen. Allen voran der einstige Jungstar in der Politikerriege der Union, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg . Er musste 2011 gehen, weil er seine Doktorarbeit zu großen Teilen abgeschrieben hatte. Obendrein hatte Guttenberg hartnäckig geleugnet, bis die Beweise erdrückend waren.

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