Merkel gibt SPD nach: Gauck wird Präsident

Beim zweiten Anlauf klappte es, zwar nicht reibungslos, aber immerhin: Nach heftigem Widerstand lenkte die CDU unter Kanzlerin Angela Merkel am Sonntag Abend ein und akzeptierte den „Kandidaten der Herzen“ als neuen deutschen Bundespräsidenten.
Er folgt damit dem am Freitag zurückgetretenen Christian Wulff. Die Wahl in der Bundesversammlung ist reine Formsache, da auch FDP, SPD und Grüne für ihn sind. Nur die „Linke“ will ihn nicht mitwählen.
Gauck wird damit der erste gemeinsame Kandidat der Regierungskoalition und dem Großteil der Opposition sein. Bisher war nur Richard von Weizsäcker in der zweiten Amtszeit ohne Gegenkandidaten gewählt worden.
Emotionen
„Verwirrung der Gefühle“, war das Erste, was der sichtlich bewegte Joachim Gauck in der Kurzpressekonferenz nach der Einigung im Kanzleramt angab. Auf dem Rückweg von seinem Wien-Besuch im Taxi in Berlin habe ihm die Kanzlerin mitgeteilt, ihn zum Kandidaten zu machen. Gauck fand aber auch in diesem Moment die perfekten Worte: Er wolle „nahe bei den Menschen sein, neues Vertrauen gewinnen und Kräfte im Volk mobilisieren“. Das Wichtigste für ihn sei, „dass sich alle hier für mich zusammengefunden haben“. Am meisten bewege ihn, dass einer, der den Weltkrieg noch erlebt und 50 Jahre unter der Diktatur gelebt habe, nun Staatschef werde.
Die Parteispitzen von Union, SPD und Grünen, die zuvor gesprochen und Gauck mit größten Vorschusslorbeeren überhäuft hatten, gaben sich jeweils nach ihren Gesichtspunkten sehr zufrieden.
Kanzlerin Merkel sagte, Gauck sei „bei aller Verschiedenheit der beste Kandidat für das Amt“. Sie beide verbinde „die Vergangenheit in der DDR“. Gauck sei „ein großer Demokratie-Lehrer“.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: „Ende gut, alles gut.“ Er bedankte sich bei Merkel für die „fairen Verhandlungen und das Bemühen um einen gemeinsamen Kandidaten“. Gauck sei „der Beste, um die wachsende Kluft zwischen Volk und Politik zu schließen“.
Über die Dramatik der Stunden davor sagten die Koalitionäre nichts. Tatsächlich lag ein unmittelbarer Koalitionsbruch von Union und FDP in der Luft, nachdem sich die FDP überraschend auf Gauck versteift hatte. Merkel hat dann offenbar auch im Hinblick auf die Auswirkungen einer Regierungskrise in Deutschland auf die Europäische Union eingelenkt.
Mit dem untadeligen 72-Jährigen zieht jedenfalls ein moralisches Schwergewicht ins Schloss Bellevue ein – dem Sitz des deutschen Staatsoberhauptes. Nach den Turbulenzen seines Vorgängers ist die Hoffnung groß, dass Gauck dem Amt zu neuem Ansehen und Würde verhilft. Und dem gesamten Land zu einem positiven Aufbruch.
„Wir müssen uns einprägen, was wir können. Und wir müssen glauben, wozu wir fähig sind. Das Beschwören der Mängel alleine macht es nicht“, lautet das Credo des evangelischen Pastors. Als herausragender Redner tourte er die vergangenen Jahre quer durch die Republik und verkündete es – ohne Pathos, aber mit viel Überzeugung. Und dabei zog er die Massen an: Die Säle, in denen er auftrat, waren stets zum Bersten voll.
„Gauck-Behörde“
Wie kaum ein anderer verkörpert der Parteilose die deutsche Wiedervereinigung, die er maßgeblich mitgestaltet hat. Allgemein bekannt wurde der gebürtige Rostocker als Leiter jener Stelle, die die Stasi-Unterlagen verwaltet und zugänglich macht. Im Oktober 1990 übernahm er diesen Job, den er nach zwei Amtsperioden im Oktober abgab – „Gauck-Behörde“ nennen die Deutschen das Amt heute noch.
Jetzt wechselt der „Ossi“ in das höchste Amt, das die Republik zu vergeben hat und an dessen Pforten er schon 2010 geklopft hatte. Vergebens: Er unterlag Wulff in einer Kampfabstimmung, aber immerhin zwang er seinen damaligen Konkurrenten in drei Wahlgänge.
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