Mehr Tote durch Biken ab 16?
Per 19. Jänner 2013 müssen die 27 EU-Staaten die "3. Führerscheinrichtlinie" des Europäischen Parlaments und des Rates umsetzen. Damit einher geht eine fundamentale Änderung der Motorradklassen. Verkehrsexperten und Zweirad-Profis befürchten ein Ansteigen der Unfallzahlen. Immerhin dürfen ab dem nächsten Jahr 16-Jährige mit 15 PS starken Maschinen mit 125 Hubraum fahren – auch auf der Autobahn.
Im Vorjahr ließen 67 Menschen bei Bike-Unfällen ihr Leben auf Österreichs Straßen, heuer liegt die Zahl laut Verkehrsministerium bei 59 toten Motorradfahrern. Durch das schöne Herbstwetter wird die Todesrate wahrscheinlich noch nicht ihren Höhepunkt erreicht haben. Glaubt man den Experten, so dürften die Unfallzahlen im nächsten Jahr steigen. Bettina Urbanek vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) gibt die Kombination aus Pferdestärken und jugendlichem Leichtsinn zu bedenken. "Wir glauben, dass die 16-Jährigen psychisch das Risiko nicht richtig einschätzen können." Pubertäre Tempofantasien und 120 km/h schnelle Motorräder bergen einen explosiven Mix. "Unfallstatistiken zeigen: Junge Lenker sind generell gefährdet", hält Urbanek fest und verweist auf jugendliche Mopedlenker.
Neben den VCÖ-Experten warnt auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). Dort haben sich die Zweirad-Experten intensiv mit der neuen Richtlinie befasst. "Wir werden uns das nächste Jahr genau ansehen", hält Claus Robatsch fest. "Wenn die Unfallzahlen bei jungen Motorradfahrern nach oben schnellen, muss das Gesetz repariert werden." Wobei er mit einem Vorurteil aufräumt: "Das höchste Unfallrisiko auf zwei Rädern bergen Lenker zwischen 40 und 55 Jahren." Gerade die Gruppe der Wiedereinsteiger in den Zweiradsport wissen oft nicht, mit welchen Geschoßen sie es zu tun haben. Eine Zentrale Forderung des KFV wurde laut Robatsch vom Gesetzgeber in die neue Richtlinie eingebaut: das Risikowahrnehmungstraining. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Schulung, um die Gefahren im Straßenverkehr besser kennenzulernen.
Ohne Hirn
Einer, der die Bikerszene genau kennt, ist Peter Mayer aus Wiener Neustadt (NÖ). Sein 16-jähriger Sohn Julian fährt internationale Motorradrennen. "Für mich ist klar, dass der Julian keine 125er-Maschine bekommt. Mit 16 Jahren haben die Kinder noch kein Hirn", sagt Motorradhändler Mayer. Er selbst kennt als erfahrener Motorradlenker die Gefahren. "Die Jungen unterschätzen das Risiko." Seine Befürchtung: Viele 125- -Modelle lassen sich leicht entdrosseln. Dann erlauben auch die vermeintlich "brustschwachen" Motorräder Geschwindigkeiten von 180 Stundenkilometern. "Die Eltern sind leichtgläubig, sie unterschätzen die Gefahr und die Bastelambitionen ihrer Kinder."
Sohn Julian sieht die Situation realistisch. "Da gibt’s schon ein paar Spezialisten auf der Straße. Je mehr PS, desto schlimmer die Verletzungen." Dass Julian nächstes Jahr mit 130 Pferdestärken Meisterschaften absolviert, ist für Vater Peter Mayer kein Widerspruch. "Wir reden vom Rennsport. Dort fahren die Piloten im Leder-Overall und mit Topausrüstung. Außerdem sind die Sturzräume groß." 2011 stürzte Julian auf der Rennstrecke. Noch heute hängt sein schwer beschädigter Helm mahnend im elterlichen Geschäft. "Auf der Landstraße wäre der Unfall anders ausgegangen. Ich befürchte, dass wir im nächsten Jahr viele Unfälle mit fatalem Ende erleben werden", sagt Peter Mayer.
EU erlaubt Motorradfahren bald mit 16 Jahren
Regelungen, die Österreich schon 1991 hatte, musste der Gesetzgeber nach dem EU-Beitritt verwerfen – um sie heute wieder auszugraben. Ab 2013 wird es vier Klassen geben: AM, A1, A2 und A.
AM Entspricht im Wesentlichen dem Mopedschein. Das Mindestalter ist 16. Neuerung: Ab dem nächsten Jahr dürfen Lenker damit auch ins Ausland fahren. Notwendig ist eine Fahrschulausbildung in Höhe von sechs Theorie- und acht Praxisstunden. Aspiranten ab 20 Jahren benötigen ein medizinisches Attest.
A1 Acht Theorie- und zwölf Praxisstunden erfordert die neue Ausbildung. Das Mindestalter beträgt 16 Jahre. Dazu ist ein Risikowahrnehmungstraining verpflichtend. Motorräder bis 15 PS Motorleistung und 125 sind von der Klasse erfasst.
A2 Leichtmotorräder dürfen 48 PS stark sein (derzeit 34 PS). Das Mindestalter ist 18 Jahre.
A Das Mindestalter zu schweren Motorrädern steigt auf 24 Jahre. Wer ohne Vorkenntnisse aus A 1 oder A 2 Biken will, muss acht Theorie- und zwölf Fahrstunden absolvieren. Auch ein Aufstieg von A 1 auf A ist möglich. Hierzu muss man mindestens vier Jahre im Besitz des A-1-Führerscheins gewesen sein, eine Mehrphasenausbildung abschließen und eine Prüfung ablegen.
Fahrschulbesitzer Herbert Waldhuber begrüßt das Mammutprogramm. "Wer alle Stationen durchläuft, ist perfekt gerüstet. Aber ich bezweifle, dass viele Junge alle Ausbildungen durchlaufen, die Kosten sind nämlich erheblich."
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