Lobbying-Affäre: Strasser wegen Bestechlichkeit angeklagt

Ein Mann in einem Anzug sitzt an einem Tisch mit Mikrofonen und Dokumenten.
Die Justiz hat gegen den Ex-ÖVP-Innenminister Anklage erhoben. Inzwischen ist Strassers "seltsamer" Mailverkehr mit einem EU-Abgeordneten an die Öffentlichkeit gelangt.

Die Staatsanwaltschaft hat in der Lobbying-Affäre Anklage erhoben: Der frühere Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Ernst Strasser, wird sich vor Gericht verantworten müssen. Ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Das teilte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Strasser soll im Jahr 2010 von zwei vermeintlichen Lobbyisten - tatsächlich handelte es sich um Journalisten der britischen Tageszeitung Sunday Times - ein jährliches Beraterhonorar von 100.000 Euro für die Beeinflussung der Gesetzgebung im Europäischen Parlament gefordert haben.

Erst am Wochenende hatte der KURIER die wesentlichsten Passagen der nun vollständig vorliegenden Gesprächsprotokolle aus den Ermittlungsakten veröffentlicht (siehe Faksimile).

"Faule Abgeordnete"

Ein Ausschnitt eines Textes in deutscher Sprache, der Dialogfragmente enthält.

Die Protokolle sind die beglaubigte Übersetzung von Aufzeichnungen, die verdeckt recherchierende Journalisten der Sunday Times bei Treffen mit Strasser gemacht haben. Sie enthalten nicht nur Strassers ausnehmend uncharmante Einschätzung seiner Ex-Kollegen ("Die meisten Parlamentarier sind so faul wie ich"); sie nähren auch den Verdacht, Strasser sei bereit gewesen, im EU-Parlament gegen Bezahlung von Hunderttausenden Euro Gesetzesanträge einzubringen. Bereits im Frühjahr 2011 hatten die Times-Journalisten (sie gaben sich Strasser gegenüber als Lobbyisten aus) Videos von den geheimen Treffen veröffentlicht und die Ermittlungen damit angestoßen.

Strasser selbst behauptete stets, er habe die Gespräche nur geführt, um an die Hintermänner heranzukommen – eine Version, die selbst die Parteifreunde der ÖVP-Fraktion im EU-Parlament so nicht glauben.

Umfangreiche Ermittlungen

Ein Dokument der Justizbehörden zur Anklage gegen Dr. Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat 15 Monate lang in fünf Staaten Ermittlungen gegen Strasser geführt. Bei Hausdurchsuchungen an zehn Standorten beschlagnahmte man Daten im Umfang von etwa einem Terabyte und rund 25 Kisten an Unterlagen, es wurden 90 Einvernahmen (mit Unterstützung des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung - BAK) durchgeführt und zahlreiche weitere Ermittlungsmaßnahmen wie beispielsweise Kontenöffnungen gesetzt.

Bei weiteren untersuchten Geschäftsfällen konnte ein strafbares Verhalten nicht festgestellt werden, so die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Der Strafrahmen beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Für Strasser gilt die Unschuldsvermutung.

Dank der Zusammenarbeit mit EUROJUST habe man innerhalb kürzester Zeit die erste gerichtliche Hausdurchsuchung im Europäischen Parlament unter Beteiligung von BAK und WKStA durchführen können, so die Behörde. EUROJUST ist eine mit Staatsanwälten aus sämtlichen Mitgliedsstaaten beschickte Einrichtung zur Koordinierung von Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zwischen den zuständigen Justizbehörden der EU-Mitgliedstaaten.

"Seltsamer" Mailverkehr mit EU-Abgeordneten Florenz

Über Strassers Vorgehensweise gibt jetzt auch sein Mailverkehr mit dem EU-Abgeordneten  Karl-Heinz Florenz von der CDU Auskunft - das berichtet derstandard.at, dem der Schriftverkehr vor liegt.

In den Mails um den Jahreswechsel 2010/11 geht es um die EU-Elektroschrott-Richtlinie und den Änderungswunsch eines "lieben Freundes" von Strasser. Florenz sei auf Strassers Ansinnen nicht eingegangen, sagte dieser derstandard.at. Seine Änderungswünsche hätten den Sinn der Richtlinie "leerlaufen lassen", so Florenz. Strassers Anliegen sei außerdem "absurd" gewesen und sei auch im Widerspruch zur österreichischen Politik gestanden.

Florenz wird auch in den Gesprächen mit der Sunday Times erwähnt, unter anderem behauptet Strasser, Florenz habe mit ihm "drei, vier Biere" getrunken. Der CDU-Abgeordnete bestreitet das. "Der soll sich zum Teufel scheren", so Florenz zu derstandard.at. "Ich bin seit 23 Jahren hier, aber so etwas Absurdes habe ich noch nie erlebt."

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