Kein Wort von der Scharia
Rachid Ghannouchi bezeichnet sich selbst als moderaten Islamisten. Er liebe aber auch die Demokratie. Er vertrete das türkische Modell eines islamischen Staates. In den Medien gibt sich der Vorsitzende der Ennahdha-Partei moderat, Ängste vor einem Bikini- oder Alkoholverbot tut er ab. Er wolle nicht ins Privatleben der Tunesier eingreifen. Die Worte Scharia oder Gottesstaat benutzte er im Wahlkampf - anders als andere Parteimitglieder - nicht.
Rachid Ghannouchi hat in den 1970er-Jahren, unter Präsident Bourguiba, die Jamaa al-Islamiya Vereinigung gegründet, die die Verwestlichung Tunesiens kritisierte. Daraus entstand 1981 die Gruppe MTI (Bewegung der islamischen Tendenz), die für einen demokratisch inspirierten islamischen Staat stand und offen den Despoten anprangerte. Das brachte Ghannouchi mehrmals ins Gefängnis, er wurde sogar zum Tode verurteilt, was aber schließlich ins Urteil zu lebenslanger Haft mündete.
1988 wurde aus der MTI eine Partei, die Ennahdha. Weil sie aber bei den Parlamentswahlen so gut abschnitt, wurde sie vom neuen Präsidenten Ben Ali verboten, die Mitglieder verfolgt. Ghannouchi floh 1989 nach London ins Exil, wo er bis Ende Jänner, nach dem Sturz von Ben Ali, lebte und werkte.
Manche Aussagen aus dieser Zeit machen vor allem den säkularen Tunesiern heute Angst. So lobte Ghannouchi etwa im Mai 2001 auf dem Sender Al Jazeera palästinensische Selbstmordattentäter als "Männer, denen es gelungen ist, ein neues Gleichgewicht der Kräfte zu erringen". "Selbst wenn Ghannouchi jetzt moderat sein will - früher oder später wird er von der Basis und von den Investoren vor sich hergetrieben werden", glaubt auch der deutsche Tunesien-Experte Klaus Loetzer.
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