Kein europaweites Recht auf Sterbehilfe

Die Hoffnung auf ein europaweites Grundsatzurteil, ob der Mensch ein Recht auf Sterbehilfe hat, war groß. Am Donnerstag fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg (siehe Info unten) ein Urteil zum Thema Sterbehilfe in Deutschland. Ein Witwer aus Braunschweig hatte geklagt, weil das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel seiner gelähmten Frau ein tödliches Medikament verweigert hatte. Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt.
Die Hoffnungen auf ein wegweisendes Urteil waren aber vergebens: Ob Sterbehilfe zulässig ist, wird weiterhin nicht europaweit geregelt, sondern bleibt den einzelnen Staaten vorbehalten. Der Gerichtshof in Straßburg nahm gar nicht zur Sachfrage Stellung, ob Sterbehilfe grundsätzlich erlaubt sei.
Doch der klagende Witwer Ulrich Koch bekam bei der Prüfung des Gerichtsverfahrens recht. Die deutschen Gerichte hatten seine Klagen abgewiesen: Der Witwer sei nicht befugt, im Namen seiner zu dem Zeitpunkt bereits verstorbenen Frau das Recht auf Sterbehilfe einzuklagen.
Die Straßburger Richter entschieden nun, der Witwer sei sehr wohl direkt betroffen – die deutschen Gerichte hätten den Fall nicht ausreichend geprüft.
Schicksalsschlag
Die Fakten des Falls: Bettina Koch hatte sich 2002 im Alter von 53 Jahren bei einem Sturz das Genick gebrochen. Sie war vollständig gelähmt, auf künstliche Beatmung und Rund-um-die-Uhr-Betreuung angewiesen. Sie wollte, unterstützt von ihrem Gatten, ihr Leiden beenden.
Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel verweigerte 2004 aber aufgrund der deutschen Rechtslage das tödliche Medikament.
Bettina Koch wich, unterstützt von ihrem Gatten, in die Schweiz aus. Dort setzte sie 2005 mithilfe des Sterbehilfe-Vereins Dignitas ihrem Leben ein Ende.
Ulrich Koch kämpft seither – auch in TV-Auftritten wie 2010 in der ARD-Talkshow Beckmann (siehe Foto) – für das Recht auf Sterbehilfe in Deutschland.
Straßburg: Menschenrechts-Gerichtshof
Europarat: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg überwacht seit 1959 die Einhaltung der Menschenrechte in den 47 Ländern des Europarates.
Kompetenz: Theoretisch sind die Urteile des EGMR zwar bindend, doch der EGMR hat keine Exekutivgewalt in den Mitgliedsstaaten des Europarates.
Verwechslungsgefahr: Der EGMR ist nicht mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu verwechseln. Dieser untersteht der EU und soll EU-Recht durchsetzen. Die EuGH-Urteile sind in der EU bindend.
Kommentare