Italien: "Monti ist unsere letzte Chance"
Wir reden nicht mehr über ihn", hatte Margitta T. jahrelang achselzuckend gesagt, wenn das Gespräch auf Italiens Politik und insbesondere
Silvio Berlusconi kam. Es sei eben so, dass sich die - wenn auch knappe - Mehrheit ihrer Landsleute von Berlusconi und seinen frauenverachtenden Primitivmedien blenden lasse, während das Land finanziell immer mehr den Bach hinunterging. Die früher übliche Abwertung der nationalen Währung Lire war mit dem Euro ja nicht mehr möglich. Also mussten immer mehr Schulden gemacht werden, bis zur Beinahe-Pleite.
T.'s Sohn, ein Mittdreißiger, wohnte bis vor kurzem im "Hotel Mama", denn bei seinem Halbtagsjob, bei dem er aber immerhin versichert ist, ist eine Wohnung eigentlich nicht drin. In seiner jetzigen, relativ billigen Bleibe kann er nichts renovieren lassen, weil einen Mietvertrag hat er nicht. Nicht alle ihre Alltagsprobleme, aber viele, so Familie T., seien Berlusconi anzulasten.
Viele Fragezeichen
Diese Zeiten scheinen nun vorbei. Auch in der Familie T., die in einer nördlichen Kleinstadt lebt, wurde gefeiert, als der Mann, der Italien fast zwei Jahrzehnte als Selbstbedienungsladen missbraucht hatte, abtrat. "Ja, wir haben darauf getrunken, wenn auch nicht auf der Straße wie in Rom", sagt T.'s Schwager, ein Geschäftsmann und ehemaliger Lokalpolitiker, im KURIER-Gespräch. Er sei jetzt aber "weder Optimist, noch Pessimist", auch wenn der von Staatspräsident Napolitano am Sonntag mit der Regierungsbildung beauftragte Finanzfachmann
Mario Monti (68) "ein sehr guter Kopf ist - und unsere letzte Chance. Aber die Parteien tun nicht viel, um Monti das Leben leicht zu machen. Die Parteien müssen ihn regieren lassen!"
Und da genau lägen die vielen Fragezeichen, wie sich die nahe Zukunft gestalten wird. Wohl sei die größte linke Partei mit Monti. "Bei Berlusconis Partei weiß man das nicht. Man weiß ja nicht einmal, wer in dieser Partei bleibt. Da geht es weiterhin um Macht durch Berlusconis Medien und natürlich um Geld." Dienstagnachmittag hieß es dann in Rom, Monti habe sich die Unterstützung seines Vorgängers Berlusconi gesichert.
"Die Lega Nord, die mit ihm regierte, möchte gern wieder jungfräulich werden", analysiert der Geschäftsmann. Sie will dem Technokraten Monti nicht das Vertrauen aussprechen, sie geht in Opposition. Gesetze der neuen Regierung will sie von Fall zu Fall prüfen.
Gürtel enger schnallen
"Monti muss die Gürtel der Leute enger schnallen, nicht die Parteien, weil mit denen gehen wir bankrott." Bitterer Nachsatz: "Der Markt wartet nicht auf uns." Er hat auch auf den Namen Monti nicht sonderlich beeindruckt reagiert. Eine Expertenregierung würde dies vielleicht ändern. Und die "vielen Opfer", die der Hoffnungsträger mit dem Zwang zum Rotstift schon angekündigt hat.
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