Italien: Am Abend bebte erneut die Erde


Bei den Menschen in der Region liegen die Nerven blank. Ein Nachbeben der Stärke 4,0 auf der Richterskala hat am Donnerstag um 16.58 Uhr erneut die norditalienische Region Emilia Romagna erschüttert. Dies berichtete das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie. Die Erde bebte mehrere Sekunden lang.
Auch in der Nacht auf Donnerstag erschütterten über 30 Nachbeben das norditalienische Gebiet Emilia Romagna. 14.000 Einwohner sind obdachlos. Viele leben bei Freunden, in Notunterkünften oder schlafen vor Angst in ihren Autos.
Wegen dem Einsturz von mehreren Fabriken haben die Justizbehörden eine Untersuchung angekündigt. Der Beschluss wurde gefasst, nachdem 13 Arbeitnehmer unter den Trümmern gestorben sind. Am Mittwoch haben Einsatzkräfte einen vermissten Arbeiter tot geborgen, die Zahl der Opfer des jüngsten Bebens stieg auf 17 Tote und 350 Verletzte.
Die Gewerkschaften kritisierten, dass die Arbeitnehmer der Provinz Modena nach dem schweren Erdbeben zu früh in die beschädigten Objekte zurückgekehrt seien. "Man hätte die Stabilität der Gebäude tiefgehender überprüfen müssen", kritisierte Gewerkschafschefin Susanna Camusso. Sie bemängelte, dass viele Fabriken in der Gegend, die in den vergangenen Jahren errichtet wurden, nicht den seismischen Standards angepasst waren.
"Krise in Italien wird sich noch mehr verschärfen"

Die Schäden sind in der ganzen Region immens: Die Regierung Monti verabschiedete ein Paket mit Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Gebiete. Zur Finanzierung des Plans beschloss Monti eine Erhöhung der Benzinsteuer von zwei Cent pro Liter. Die höhere Benzinsteuer gilt bis Jahresende und soll laut Medienberichten 500 Millionen Euro einbringen. Außerdem müssen sich die vom Erdbeben betroffenen Gemeinden nicht an den internen Stabilitätspakt halten, der die Lokalverwaltungen zu strengen Einsparungen zwingt. Ein mit über einer Milliarde Euro dotierter Fonds soll für den Wiederaufbau der Region eingerichtet werden, berichtete Vize-Wirtschaftsminister Vittorio Grilli. Die Regierung Monti erklärte, dass Italien vorerst keine Hilfe aus dem Ausland zur Bewältigung der Erdbebenkrise benötigt.
Der kommende Montag wird in Italien ein Trauertag sein. Auf über eine halbe Milliarde Euro werden die Schäden im Herz der italienischen Lebensmittelproduktion geschätzt. "Die Krise in Italien wird sich wegen der Folgen des Erdbebens noch mehr verschärfen", prophezeit Italiens Unternehmerverband Confindustria.
Vatikan baut Kirchen wieder auf

Nicht nur die Lebensmittelindustrie ist schwer angeschlagen, auch hunderte Kirchen sind zum Teil stark beschädigt. Zahlreiche Kirchtürme liegen in Trümmern, jedes dritte Gotteshaus im Erdbebengebiet ist zerstört. Der Vatikan hat nun seine Sorge ausgedrückt.
Die Episkopatskonferenz sei nur in der Lage, für einen Teil der enormen Restaurierungskosten aufzukommen, berichteten italienische Medien am Donnerstag. Die Kirchengelder würden für den Wiederaufbau so vieler Gebetshäuser nicht ausreichen.
Besonders stark beschädigt ist der Dom der Ortschaft Mirandola im Epizentrum des Bebens. Das Gebäude aus dem 15. Jahrhundert, das bereits beim vorherigen Beben stark beschädigt worden war, stürzte in sich zusammen. "Nach dem Erdbeben am 20. Mai war das Dach eingestürzt. Wir dachten, wir würden den Dom mit der Zeit wieder restaurieren, doch nach dem neuen Erdbeben am Dienstag liegt alles in Trümmern. Sogar die Glocke, eine der größten in der Gegend, ist zerstört", berichtete Dompfarrer Alex Sessayya.
Ein ähnliches Bild boten zahlreiche Kirchen in den Provinzen Modena, Ferrara und Bologna.Das Erdbeben hatte sogar Folgen in Padua, das etwa 100 Kilometer vom Epizentrum entfernt liegt. Dort vertieften sich bereits vorhandene Risse in den Kuppeln der Basilika des Heiligen Antonius, eines der berühmtesten und meistbesuchten Kirchen Italiens.
Ein Pfarrer wurde von Kirchentrümmern erschlagen, als er gerade die Madonnenfigur aus seiner beschädigten Kirche retten wollte. Mehrere Zeitungen berichteten über das Schicksal des 65-jährigen Geistlichen aus der kleinen Ortschaft Rovereto sulla Secchia nördlich von Modena. In Begleitung zweier Feuerwehrleute war er in das Kirchengebäude geeilt, als ein Holzbalken aus dem Gewölbe brach und ihn tödlich traf.
"Italien ist ein einziges riesiges Museum"
In Italien sind 60 Prozent aller Monumente und kulturhistorisch bedeutenden Gebäude erdbebengefährdet, wie aus einer Studie des Kulturministeriums hervorgeht. In Gebieten mit hohem Risiko befinden sich mehr als 150.000 historische Bauten. "Italien ist ein einziges riesiges Museum", erklärten Kunstexperten. Es gebe nicht nur erhaltenswerte Kirchen und Paläste, sondern ganze Ortschaften und Städte von besonderem architektonischen Wert.
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