Italien: 14.000 Obdachlose nach Beben

Ein älterer Mann fährt mit dem Fahrrad an einem durch ein Erdbeben zerstörten Gebäude vorbei.
Ständige Nachbeben versetzen die Menschen in Panik. Viele Kulturdenkmäler sind zerstört. Die Schäden können bis zu 700 Millionen Euro betragen.

Wir werden sicher noch länger im Freien campieren, weil wir uns derzeit nicht in unsere Häuser zurücktrauen", sagt Gabriele, der sein Zelt in einem Park in Cavezzo aufgestellt hat. In der Emilia-Romagna herrschen Angst und Verzweiflung nach dem zweiten schweren Erdbeben. Die Menschen in der Region Modena mussten eine weitere Nacht im Freien verbringen: Mehr als 60 Nachbeben versetzten die Bevölkerung immer wieder in Panik. Die Erdstöße können laut Seismologen noch Monate andauern.

Bei dem Erdbeben Dienstag früh mit einer Stärke von 5,8 kamen mindestens 17 Menschen ums Leben. 350 Personen wurden verletzt, etwa 8000 wurden obdachlos. Insgesamt verloren bei den beiden schweren Beben 14.000 Menschen ihre Bleibe. Erst am 20. Mai hatte ein Erdstoß der Stärke 6 Norditalien erschüttert.

Frau aus Trümmern gerettet

Eine Karte von Norditalien, die die Epizentren von zwei Erdbeben im Mai zeigt.

Eine 65-jährige Frau konnte von Hilfsmannschaften lebend aus den Trümmern ihres Hauses in Cavazzo geborgen werden: Sie wollte gerade Kleidung aus ihrer Wohnung holen, die seit dem ersten Beben nicht mehr bewohnbar ist, als der neue Erdstoß das Gebäude völlig zum Einsturz brachte.

Der nächste Montag wird zum Staatstrauertag erklärt. Die Regierung sicherte weitere Hilfsmaßnahmen für die Erdbebenregion zu. In Concordia sulla Secchia bei Modena und in weiteren Orten wurden in aller Eile Zeltstädte errichtet. Doch viele Menschen schlafen einfach in ihren Autos – oder zelten in Gärten und Parks.

Der ökonomische Schaden in der Emilia-Romagna ist enorm. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti berichtet von 500 Millionen Euro-Verlusten im Lebensmittelsektor und in der Landwirtschaft. In der Gegend um Modena, Ferrara, Bologna und Parma werden weltberühmte kulinarische Produkte wie Balsamico-Essig, Parmesan, Parma-Schinken und Lambrusco-Weine hergestellt.

Unermessliche Schäden

Eine Gruppe von Menschen campt in einem Park mit Zelten und einer Luftmatratze.

Kunsthistoriker sprechen angesichts der Zerstörung von Kulturdenkmälern von unermesslichen Schäden: "Das Herz der Renaissance wurde getroffen." Historische Gebäude wie etwa der Turm von San Felice, die bereits beim ersten Beben einbrachen, stürzten nun endgültig zusammen. Jede dritte Kirche in der Region ist beschädigt. In der Stadt Carpi wurde der Dom aus dem 16. Jahrhundert schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Doch auch viele Kilometer vom Epizentrum entfernt gibt es Schäden an Kulturdenkmälern. In Padua stürzten Teile der Basilika des Heiligen Antonius ein. In Mantua wurde die Kuppel der Barbara-Kirche beschädigt.

Nach Einschätzung von Experten könnten die Schäden bis zu 700 Millionen Euro kosten. Die auf Naturkatastrophen spezialisierte Risikomodellierungsfirma Eqecat schätzte die Summe am Mittwoch auf 300 bis 700 Millionen Euro. Wegen der Seltenheit derartiger Naturkatastrophen in der Region Emilia Romagna seien nur wenige Häuser sicher genug gebaut worden, hieß es.

Indessen wurde Kritik an fehlender Prävention laut. 26 Millionen Italiener leben in hoch erdbebengefährdeten Gebieten. Mehr als die Hälfte der Häuser und Wohnungen wurde vor 1970 erbaut. Erst danach wurde ein Gesetz eingeführt, das erdbebensichere Baustandards vorschreibt.

Videos von Betroffenen

Da es seitens der Presseagenturen anfangs noch kein Bildmaterial der Zerstörung gab, stützten sich italienische Zeitungen wie La Repubblica in ihrer Berichterstattung auf Fotos von Betroffenen - wie etwa hier zu sehen ist. Aktuelle Videos des Bebens, ebenfalls von Einheimischen, sind auf der Plattform Youreporter.it zu sehen.

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