"Isaac": New Orleans rüstet sich für den Sturm
Ich gehe nirgendwohin. Ich bleibe und schaue, was passiert. Ich kann schwimmen, falls wir wieder überflutet werden", sagt Herbert Gettridge aus New Orleans. Der 89-Jährige lebt im tief gelegenen Viertel Lower Ninth Ward. Schon zwei Mal musste er sein Haus wieder aufbauen – 1965 nach Hurrikan "Betsy" und 2005 nach "Katrina". Herbert Gettridge lässt sich auch jetzt nicht durch "Isaac" beirren: "Selbst wenn der Sturm großen Schaden anrichtet, kann ich alles wieder aufbauen."
Massenflucht
Nicht alle Menschen an der US-Südküste sahen der Ankunft von "Isaac" so gelassen entgegen. In Louisiana, Alabama und Mississippi herrschte höchste Alarmbereitschaft; die Behörden ließen Küstengebiete evakuieren. Auf den Straßen kam es zu langen Staus, weil zahlreiche Menschen flohen. Es kam zu Hamsterkäufen, in New Orleans war an vielen Tankstellen das Benzin ausverkauft. Vielerorts verbarrikadierten Einwohner ihrer Häuser. Die meisten Flughäfen schlossen.
Auch die US-Nationalgarde rückte an - sie soll das von einem Hurrikan bedrohte New Orleans vor Plünderern schützen. Ausgerüstet mit automatischen Sturmgewehren bezogen Hunderte Soldaten am Dienstag kurz vor dem erwarteten Eintreffen von "Isaac" Stellungen auf den zumeist verwaisten Straßen rund um die Golfküsten-Metropole. Starke Winde und heftiger Regen deuteten die Kraft des Wirbelsturmes an, der sich rund 170 Kilometer entfernt mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 Kilometern in der Stunde von Südosten her langsam der Stadt näherte.
"`Isaac` ist zum Hurrikan geworden. Also befinden wir uns nun ganz offiziell im Kampf. New Orleans steht an der vordersten Front", sagte Mitch Landrieu, Bürgermeister der Stadt, die fast auf den Tag genau vor sieben Jahren von dem Hurrikan "
Katrina" verwüstet wurde. Damals starben 1.800 Menschen. Die Auswirkungen des Hurrikans auf New Orleans, das zu 80 Prozent unter dem Meeresspiegel liegt, waren deshalb so katastrophal, weil die Deiche den Wassermassen nicht standhielten.
Am Dienstag fielen wegen "Isaac" nahezu die gesamte Ölproduktion sowie zwei Drittel der Gasförderung der USA im Golf von Mexiko aus, wie die amerikanischen Behörden mitteilten. Der Sturm hat die ohnehin gestiegenen Ölpreise weiter angetrieben. US-Leichtöl der Sorte WTI verteuerte sich um 0,7 Prozent auf 96,18 Dollar je Fass.
Laut Prognose sollte er als Hurrikan der Stufe 1 südlich von New Orleans auf Land treffen – fast auf den Tag genau sieben Jahre nach dem tödlichen Hurrikan "Katrina". Obwohl "Katrina" – zunächst mit Stärke 5 und dann beim Landfall mit Stärke 3 – viel heftiger war als "Isaac", warnten die Behörden die Menschen eindringlich. Flutwellen von mehr als drei Meter Höhe und massive Überschwemmungen seien möglich.
In Florida sorgte "Isaac" für Überschwemmungen. Zehntausende Haushalte in der Region Miami und auf den Keys waren ohne Strom. In der Karibik kamen in Haiti und in der Dominikanischen Republik mindestens 24 Menschen ums Leben.
Neue Deiche
Nach "Katrina" wurde das Deich- und Pumpsystem ausgebaut, umgerechnet acht Milliarden Euro wurden investiert. Die verbesserten Dämme können laut Behörden Stürmen widerstehen, die weit stärker sind als "Isaac". Doch nicht allerorts sind die Bewohner geschützt, denn die Anlagen sind noch nicht fertig. "Wir hätten eigentlich noch ein paar Jahre bis zu so einem Ereignis gebraucht", sagte Billy Nungesser, Präsident des Bezirks Plaquemines.
New Orleans hatte bis zu "Katrina" mehr als 450.000 Einwohner. 2006 war es nur noch etwa die Hälfte. 2010 lebten wieder mehr als 340.000 Menschen in der einst blühenden Jazzmetropole. Doch nach wie vor sind viele Straßenzüge wie ausgestorben, und ganze Stadtviertel verfallen.
Parteitag blickt bang auf "Isaac"
Was Heerscharen an Beratern bisher nicht geschafft haben, sollte Ann Romney am Dienstagabend hinbiegen: Die Frau des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney wollte ihren Mann bei ihrer großen Rede am Parteitag der Republikaner in Tampa, Florida, als sympathischen, warmherzigen und fürsorglichen Prachtkerl darstellen. Nach ihrer Rede kürten die US-Republikaner Romney zum Präsidentschaftskandidaten.
Bisher sind alle Charmeoffensiven ins Leere gegangen: Jüngste Umfragen zeigen, dass Romney bei 31 Prozent der US-Bürger beliebt ist, während 54 Prozent der Amerikaner Obama für sympathisch halten. Doch für die US-Präsidentenwahl im November ist dies nicht entscheidend: Eingefleischte Republikaner würden nie Obama wählen, auch wenn Romney noch so hölzern und unnahbar auf die konservative Basis wirkt.
Erstes Ziel des in die ganzen USA live übertragenen Parteitages deshalb: Die eigene Wählerschaft mobilisieren. Je siegeswilliger Romney in Tampa auftritt, mit umso mehr Stimmen aus dem eigenen Lager kann er rechnen.
Die größte Sorge bescherte indes Tropensturm "Isaac" den Republikanern. Die Küstenstadt Tampa blieb zwar verschont. Doch eine befürchtete Katastrophe in New Orleans (siehe oben) würde das medial ausgewalzte Parteitagsspektakel herzlos und zynisch aussehen lassen.
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