Integrationsbericht: "Langsame Fortschritte"

Die Integration in Österreich macht offenbar langsam Fortschritte: Das geht aus dem am Montag präsentierten Integrationsbericht 2012 hervor. Jene 20 Maßnahmen, die der Expertenrat Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (VP) im Vorjahr nahegelegt hatte, sind demnach überwiegend schon umgesetzt oder im Werden.
"2011 war ein gutes Jahr für Migrations- und Integrationspolitik in Österreich", resümierte Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrats. Im kommenden Jahr will man Schwerpunkte bei Spracherwerb und Bildung sowie Werten und Religion setzen, kündigte Kurz an.
Erbe der 1960er

Österreich habe nach wie vor mit dem "Erbe der Gastarbeiter" zu kämpfen, die Defizite in der Integrationspolitik in den vergangenen 50 Jahren seien kumuliert und ließen sich nicht von heute auf morgen lösen, konstatierte Fassmann. Auch Kurz blieb trotz der Freude realistisch: "Es gibt noch unendlich viel zu tun", verwies er ebenfalls auf "jahrzehntelange Versäumnisse": "Es besteht daher in Wahrheit alles andere als ein Grund für Euphorie."
Man habe sich aber "bemüht", so Kurz, und die 20 Vorschläge des Expertenrats ernst genommen. Zehn seien bereits umgesetzt - etwa verbesserte Anerkennung von Qualifikationen aus dem Ausland, Sprachkurse, Nachholen von Bildungsabschlüssen, etc. -, an den Übrigen werde gearbeitet.
"Generation von Verlierern"

Künftig will man sich vor allem auf zwei Schwerpunkte konzentrieren. In den Bereich "Religion und Werte" fallen sowohl die "Rot-Weiß-Rot-Fibel" als auch der darauf basierende neue gestaltete Staatsbürgerschaftstest, die beide bis Oktober vorliegen sollen. Bei letzteren soll es künftig weniger um historisches Faktenwissen, sondern mehr um das Zusammenleben gehen. Fassmann sprach von "einer Art Gebrauchsanleitung" für das Land. Im "Dialogforum Islam" sollen bis Jahresende Lösungsvorschläge für Probleme beim Zusammenleben erarbeitet werden.
In Sachen "Spracherwerb und Bildung" habe man schon viel geschafft, aber auch noch eine große Aufgabe vor sich, meinte Kurz. 8.000 junge Menschen verlassen jährlich die Schule ohne Abschluss, der Anteil der Migranten sei dabei viermal so hoch wie jener der Inländer. Man laufe also Gefahr, eine "ganze Generation von Verlierern" heranzuziehen. Daher soll bis Herbst ein Bildungskonzept für junge Migranten erarbeitet werden. Festhalten will Kurz auch am zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr für diejenigen, die es aus sprachlicher Sicht brauchen. Er werde sich trotz budgetärer Knappheit bemühen, die notwendigen Mittel für wichtige Projekte zu bekommen.
Appelliert wurde von Fassmann an sämtliche Institutionen, Länder und Gemeinden, zusammenzuarbeiten. In einem föderalen Land Integration "aus einem Guss" zu betreiben, sei nicht einfach, viele würden eigene Wege gehen und "das Rad neu erfinden". Integration beginne aber bereits im Ausland in den österreichischen Botschaften, meinte er, und müsse von den Behörden aufeinander abgestimmt werden. Wichtig sei auch, dass die oftmals erfolgreichen Projekte künftig leichter in eine Regelstruktur übergeführt würden, was auch die Effizienz steigern würde.
Statistik: Plus für 2011
Die Zuwanderung ist 2011 in Österreich erneut gestiegen - hier die Zahlen:
- Insgesamt lebten im Vorjahr durchschnittlich 1,569 Millionen Personen mit Migrationshintergrund im Land.
- Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug 18,9 Prozent (2010: 18,6).
- 1,153 Millionen davon wurden im Ausland geboren, 415.000 sind Nachfahren von Einwanderern und kamen bereits in Österreich zur Welt.
- Rund 130.000 Personen wanderten laut Statistik
Austria im vergangenen Jahr zu, der größte Teil davon (72.000) kam aus anderen EU-Staaten.
- Herkunftsländer: Allgemein stammen die Migranten in Österreich zu 33,3 Prozent aus anderen EU-Ländern, die zweitgrößte Gruppe kommt aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien (32,7 Prozent). 17,9 Prozent haben türkischen Hintergrund, 16,1 Prozent teilen sich auf die übrigen Länder (ohne EU) auf.
- Bildungsgrad: Der Bildungsstand der Einwanderer ist im Vergleich zu den Österreichern niedriger. 33 Prozent von ihnen weisen ausschließlich einen Pflichtschulabschluss auf, bei Österreichern sind es 13 Prozent. Aufgeschlüsselt auf einzelne Staaten haben allerdings Zuwanderer vor allem aus dem EU-Raum und aus sonstigen Staaten häufiger einen Universitätsabschluss als Österreicher - nämlich 25 (EU) bzw. 35 (sonstige) Prozent der Einwanderer versus 14 Prozent der Einheimischen.
- Jobmarkt: Am Arbeitsmarkt ist die Lage von Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor schlechter als jene der inländischen Bevölkerung. Die Gesamterwerbsquote liegt bei Österreichern bei 74 Prozent, bei Migranten bei 65. Deutlich ist auch der Unterschied bei erwerbstätigen Frauen - 69 Prozent der Österreicherinnen arbeiten, aber nur 58 Prozent der Zuwanderinnen. Auch die Arbeitslosenquote der Ausländer war 2011 mit 9,4 Prozent deutlich höher als jene der Inländer (6,3).
Einkommen: Nachteile haben die Einwanderer somit auch beim Einkommen zu verzeichnen. Ihr Netto-Jahreseinkommen beträgt laut Statistik Austria rund 82 Prozent des Medianeinkommens der Österreicher. Dadurch sind sie auch wesentlich stärker von Armutsgefährdung und manifester Armut betroffen. Während etwa ein von zehn Österreichern armutsgefährdet ist, ist es bei Migranten jeder Vierte. Unter manifester Armut leiden fünf Prozent der Inländer, aber 16 Prozent der Ausländer.
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