Integration: Reden wir mit Hirn und Herz

Liebe Leserinnen und Leser
Die Welt wird kleiner, die Bewohner werden einander eher fremd. Nur reden hilft.

Im deutschen Magazin Spiegel schildert in dieser Woche ein Reporter, wie er in Kreta vor Gericht musste, weil er über Betrügereien von Schafbauern berichtet hatte. Das wollten die Kreter nicht auf sich sitzen lassen und klagten wegen übler Nachrede. Die Klage wurde nach umfangreichen Untersuchungen in Deutschland und Griechenland abgewiesen. Die Bauern erwiesen sich als guter Verlierer und luden den Journalisten zum Grillen ein. Diese Geschichte erzählt viel über Europa. Wir sind einander so nahegerückt, dass wir einander schon verklagen, gleichzeitig herrscht große Sprachlosigkeit.

Das gilt aber auch für das kleine Wien. Die Ideologie der Grünen will die Autos aus der Stadt verweisen, in der Praxis tauchen sie halt in anderen Bezirken auf. Dort werden sie von wütenden Anwohnern zerkratzt, vor allem, wenn sie das falsche Kennzeichen haben. Sprachlosigkeit auch hier.

Kommunikation

In Brüssel, wo sie Gesetze beschließen wollen, die für Heraklion genau so gut passen sollen wie für Hermagor, sind Beamte und Politiker zwar nicht sprachlos, aber es versteht sie kaum noch einer. Die Kommuniqués nach den EU-Gipfeln sind etwas für Insider und Feinspitze, und natürlich für Verbände, die sofort ihren Vorteil suchen. Im viel beschworenen Europa der Bürger aber macht sich bestenfalls Verwirrung breit.

So tragen die Kommuniqués nicht zur Kommunikation bei, im Gegenteil. Es gilt der Satz von George Bernard Shaw: "Das größte Problem bei der Kommunikation ist die Illusion, sie hätte stattgefunden."

Und das ist das größte Problem der Politiker, egal, ob in den Nationalstaaten oder in der EU: Sie tun so, als ob sie alles im Griff hätten, was ihnen ohnehin keiner glaubt. Gleichzeitig verlangen wir von ihnen, dass sie zügig entscheiden, aber wenn es schnell gehen muss, bleibt die demokratische Abstimmung auf der Strecke.

Also muss die Europäische Union gleichzeitig effizienter und demokratischer werden. Eine richtige Bankenaufsicht lässt sich nur auf der Ebene EU sinnvoll organisieren, also weit weg von den Bürgern. Dabei soll ein neuer Konvent schon bald beraten, wie die Institutionen zugleich effizienter und demokratischer werden. Ein beachtlicher Zielkonflikt.

Integration

Aber das Brüssler Zaudern darf uns nicht davon abhalten, unsere eigene Umgebung zu gestalten. Im Rahmen der KURIER-Aktion "Wir verbessern Österreich" geht es ab morgen um das heikle Thema Integration. Da wird die Kommunikation erst recht zur Illusion, da suchen wir noch Gemeinsamkeiten – oder wir fürchten uns vor ihnen. Hier sind die Vorurteile ebenso zu Hause wie so manches Tabu. Fremd sind oft nicht nur die anderen, und befremdlich so manche Reaktion. Aber gerade Leserinnen und Leser des KURIER werden auch über Integration mit Hirn und Herz diskutieren können.

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