Wolfgang Schüssel feiert 70er
Wolfgang Schüssel feiert heute seinen 70. Geburtstag - er ist somit so alt wie die 2. Republik. Untätig ist er deswegen aber nicht, kürzlich präsentierte er sein Buch "Das Jahrhundert wird heller. Begegnungen und Betrachtungen". Auch die ÖVP feiert demnächst ihren Altkanzler. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Klubobmann Reinhold Lopatka laden zu einem "Fest mit Freunden" ein. Die Party findet am 22. Juni in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn statt. Als Stargast ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel angesagt.
Vor ausbleibenden Glückwünschen wird sich Schüssel jedenfalls nicht fürchten müssen. Noch heute blickt die Volkspartei sehnsüchtig in jene Zeiten zurück, als man dank des Taktikers das Kanzleramt innehatte. Die Ära Schüssel war die wohl umstrittenste der Zweiten Republik und eine, die auch den Jubilar geprägt hat. Im Jahr 2000, dem "Wendejahr", erklomm Schüssel von Platz drei in der Wählergunst mit Hilfe des international weithin geächteten Jörg Haider die Regierungsspitze. Österreich wurde daraufhin mit EU-Sanktionen belegt, die nur mit viel diplomatischer Taktik und Geduld wieder aufgehoben werden konnten.
Heute genießt Schüssel den Ruf eines Staatsmanns. Er sitzt im Kuratorium der renommierten Bertelsmann-Stiftung, im italienischen Think-Tank Ambrosetti-Forum, ist Aufsichtsrat beim Energie-Riesen RWE und schreibt Bücher. Tagespolitische Zwischenrufe sind von ihm nicht zu vernehmen. Um Rat gefragt wird er in der ÖVP freilich allemal noch. Verwunderlich ist das nicht. Auch wenn er diesen Eindruck gerne verwischt, Schüssel ist Berufspolitiker durch und durch. Seine gesamte Karriere verbrachte er zumindest am Rande der Tagespolitik.
Der promovierte Jurist, der ein Wiener Privatgymnasium absolviert hatte, begann schon in seinen frühen 20ern im ÖVP-Parlamentsklub als Sekretär. Mit 30 wurde er Generalsekretär des Wirtschaftsbunds und dabei schnell zum Hoffnungsträger der Partei. Ein Mandat im Nationalrat folgte. Nachdem er ein Duell um die Klubführung gegen den wenig charismatischen Fritz König verloren hatte, schaffte es der damals noch Mascherl-Träger 1989 in die Bundesregierung als Wirtschaftsminister. 1995 löste er Erhard Busek an der Parteispitze ab. Schüssel brach Neuwahlen vom Zaun und fiel auf die Nase. Franz Vranitzky blieb mit seiner SPÖ an der Spitze, eine bleibende Wunde für den ehrgeizigen VP-Chef. Dass Schüssel sich dann mit dem erstmaligen und bisher einmaligen Rückfall der ÖVP auf Platz drei der Wählergunst 1999 das Kanzleramt sicherte, ist eine Ironie der Geschichte. Schüssel hielt dabei allem erdenklichem Druck Stand, dem der EU, dem der Demonstranten auf der Straße und auch dem der wütenden Opposition. Auch als die erste Koalition mit den Freiheitlichen scheiterte, erreichte Schüssel 2002 sogar Platz eins bei der Nationalratswahl. 2006 war es dann vorbei, Herausforderer Alfred Gusenbauer kam zum Zug. Im September 2011 zog sich Schüssel im Zug der Telekom-Affäre zurück und das, obwohl gegen ihn persönlich keine ernsthaften Vorwürfe vorlagen.
Privat ist der zweifache Vater vielseitig: Er spielt Cello, ist ein begabter Karikaturist und bastelt Papier-Schnitte. Den sportlichen Ehrgeiz befriedigt er in den Bergen oder am Fußball-Feld. Mit seinen 70 Jahren ist er immer noch fit genug dafür.
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