Wifo-Chef: Reformen statt Cordon bleu- und Friseur-Debatten
Der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Christoph Badelt, hat vor der Verteilung von "punktuellen Wahlzuckerln" gewarnt und von der nächsten Regierung Strukturreformen eingemahnt. Für die Reform des Landes brauche es ein Gesamtkonzept, sagte er am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast". Der Wahlkampf würde jedoch von Nebensächlichkeiten dominiert. "Mir ist es völlig egal, ob die Frau Rendi-Wagner Cordon bleu isst oder wie viel der Herr Kurz beim Friseur ausgibt.“
Vielmehr sollte aber über die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts und des öffentlichen Budgets sowie über Themen wie das Klima, die soziale Integration, die Forschung und die Pflege diskutiert werden. Unter der geplatzten türkis-blauen Regierung gab es einen Plan für eine Steuerreform, die mit den Budgetplänen und den erwartenden Überschüssen abgestimmt war. Seit der Übergangsregierung und dem freien Spiel der Kräfte habe man "alle möglichen Dinge beschlossen, die viel Geld kosten". Die Frage sei aber, zu wessen Lasten, kritisierte er.
Es wurden zwar einzelne Maßnahmen auf den Weg gebracht, "die im Sinne der konjunkturellen Entwicklung" seien, wie etwa die Entlastung der kleineren Einkommen von Sozialversicherungsbeiträgen. Es gebe aber auch Beschlüsse wie die Valorisierung des Pflegegeldes, "die zwar an sich Sinn machen", aber Teil eines Gesamtkonzeptes sein sollten. Denn bevor man über das Pflegegeld reden könne, müsste man das Gesamtthema der Pflege lösen.
Wifo sieht keine drohende Rezession
Eine Rezessionsgefahr sieht der Wifo-Chef für Österreich nicht. Zwar werde Deutschland heuer "schon das erreichen, was man eine technische Rezession nennt, also zwei Quartale mit negativem Wachstum", doch sei Österreichs Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland nicht mehr so groß wie noch vor ein paar Jahren.
Er glaube auch nicht, dass ein marktwirtschaftliches System zum Überleben unbedingt Wachstum brauche, sagte Badelt. Man sollte außerdem "darüber nachdenken, inhaltlich, mit welchen Gütern wir wachsen, und nicht die Zahl des Wirtschaftswachstums oder die Wachstumsrate zu einem Fetisch machen".
"Populistische Abwertung" von CO2-Steuer
Der Wirtschaftsforscher sprach sich auch klar für eine CO2-Besteuerung aus. "Ich halte die populistische Abwertung der CO2-Steuern wirklich sehr schwer aus." Natürlich müsste eine solche Steuer sozial abgefedert werden, aber man brauche eine CO2-Steuer, weil es darum gehe, einen richtigen Preis für negative Effekte der Produktion und des Konsums zu kalkulieren. Auch müsse man aus der Förderung von umweltschädlichem Verhalten herauskommen. Die Mineralölsteuer habe über weite Strecken den Charakter einer CO2-Steuer, "insofern könnte ich mir vorstellen, dass man mit einer CO2-Steuer die Mineralölsteuer einschließt und das in einem reguliert".
Bei einer Reform des Steuersystems müsse man Ausnahmen durchforsten, Arbeit entlasten und "bei einem sinkenden Abgabenniveau auch darüber nachdenken, wie wir Vermögenszuwächse besteuern können". Bei den Pendlern wäre die soziale Betroffenheit zu berücksichtigen. "Es ist sicher nicht der Sinn des Pendlerpauschales, wenn ein wohlhabender Mensch aus seiner Villa aus Baden mit dem SUV nach Wien fährt und dafür ein Pendlerpauschale in Anspruch nehmen kann."
Der EZB-Entscheidung, die Strafzinsen für Banken zu erhöhen und ein weiteres Anleihen-Kaufprogramm zu starten, kann Badelt nicht viel abgewinnen. Er könne sich "nicht vorstellen, dass diese Maßnahmen große wirtschaftspolitische Konsequenzen haben werden. Wohl werden sie Konsequenzen haben für die Kostenrechnung der Banken."
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