Ein Ankläger als Zeuge im U-Ausschuss: "Sind Störfeuern ausgesetzt"

Oberstaatsanwalt Purkart (li.) zeichnete ein irritierend-ernüchterndes Bild davon, wie die Arbeit der Korruptionsjäger von der Dienstaufsicht behindert wird.
Der geladene Oberstaatsanwalt der WKStA zeichnete im U-Ausschuss ein eher düsteres Bild von den Arbeitsverhältnissen für Korruptionsjäger.

Matthias Purkart ist Oberstaatsanwalt, insofern gehören Anklagen zu seinem Brotberuf. Doch die Anklage, die er am Dienstag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss loswerden wollte, ging weiter als das einfache Strafrecht. Es war nachgerade eine justizpolitische Anklage, die der Korruptionsjäger formulierte, und das kam so:

Der Oberstaatsanwalt beschrieb ein zweites Mal, wie es seiner Behörde, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), bei den Ermittlungen im Ibiza-Komplex ergeht. Die schlechte Nachricht kam gleich in den ersten zehn Minuten: „Wir sind Störfeuern ausgesetzt, und haben Dienstprüfungen ohne erkennbaren Anlass“, sagte Purkart. Mehr noch: In der WKStA werde aktiv nach Fehlern gesucht. Warum? „Um uns vorzuführen.“

Erst am vergangenen Freitag sei wieder so eine Dienstaufsichtsprüfung eingeleitet worden. Der Anlass diesmal: Die Causa des Bundeskanzlers, sprich: die Ermittlungen gegen Sebastian Kurz wegen möglicher Falschaussage im Untersuchungsausschuss.

Nun ist es nicht weiter verwunderlich, dass vorgesetzte Behörden – hier die Oberstaatsanwaltschaft – kritisieren oder sich zu Qualität und Fortschritt von Ermittlungen äußern – dafür sind „Instanzen“ da, das sichert Qualität.

Im nämlichen Fall beklagt Purkart aber, dass sich die Qualität der Interventionen massiv geändert habe. „Ich bin seit 2014 bei der WKStA und vor den Ibiza-Ermittlungen gab es das in der Form nie.“ Anders gesagt: Er hat das Gefühl, dass es bei den Ibiza-Ermittlungen und allfälligen Beschwerden gar nicht um die Sache geht.

Noch einmal kurz zurück zum Bundeskanzler: Bei dem, was hier passiert, handelt es sich laut Purkart um eine „jahrelange Übung“, die allein schon im Ermittlungskomplex Ibiza 27-mal erledigt worden sei. Und plötzlich, beim 28. Mal, passe der Dienstaufsicht nichts mehr. „Obwohl die Rechtssprechung des Oberlandesgerichts genau dem entspricht.“

"Grenzüberschreitung"

Und dann sind da noch die „Leaks“, also Akten oder Teile davon, die in der Öffentlichkeit herumschwirren. „In keinem Fall war feststell- oder nachweisbar, dass die WKStA Akten geleakt hat“, sagt Purkart. Dieses Thema wurmt ihn besonders.

Warum, das wird schnell klar, wenn er von den veröffentlichten Chats zwischen ÖBAG-Chef Thomas Schmid und ÖGB-Boss Wolfgang Katzian zu sprechen beginnt. Die Chats seien nämlich gar nicht im Akt der WKStA zu finden gewesen, sie stammen entweder von Schmid selbst oder von der Sonderkommission „Tape“, also den Ermittlern der Polizei. Und dass die ÖVP genau diese Chats später nicht nur am Palmsonntag unter der Hand verteilt, sondern der WKStA zudem regelmäßig vorhält, den Datenschutz nicht im Griff zu haben und Akten zu leaken, ärgert Purkart maßlos: „Ich halte das für eine Grenzüberschreitung.“

Die Darstellung des Oberstaatsanwalts deckt sich über weite Strecken mit der von Staatsanwältin Christine Jilek. Jilek hat Ende 2020 auch aufgrund der vielen „Störfeuer“ ihren Dienst bei der WKStA quittiert. Bei ihrem Auftritt im U-Ausschuss ermahnte sie die Abgeordneten eindringlich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, „damit die WKStA ihre Rolle effektiv wahrnehmen kann“.

Vor Purkart war an diesem Tag der frühere Chef der SOKO Tape, Andreas Holzer, zu hören. Der Polizist – er ist mittlerweile Direktor des Bundeskriminalamts – erklärte, dass die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei bei den Ibiza-Ermittlungen nunmehr völlig reibungslos laufe.

Allfällige Konflikte erklärte Polizist Holzer unter anderem damit, dass die Ermittler bei Polizei und Justiz durchaus unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie ermittelt werden muss bzw. soll. „Wir arbeiten nach den zertifizierten Standards des FBI oder der Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF“, sagte Holzer. Und die Korruptionsstaatsanwälte? „Ich weiß nicht, welche Standards die anwenden.“

"Verstörendes Bild"

Der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger, sprach mit Blick auf den Auftritt von Matthias Purkart von „an Befangenheit grenzender Subjektivität“. Es sei ein verstörendes Bild, wenn Kontrolle als persönlicher Angriff empfunden werde, so Hanger.

Die Fraktionsführer von SPÖ und Neos, Jan Krainer und Stephanie Krisper, gaben bekannt, dass am 24. Juni Bundeskanzler Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und ÖBAG-Chef Thomas Schmid nochmals geladen werden sollen. Alle drei waren bereits im U-Ausschuss.

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