Türkisblaues Spar-Gesetz: Chaostage bei Kassenfusion

Türkisblaues Spar-Gesetz: Chaostage bei Kassenfusion
Der Ausgabenstopp im Zuge des Kassenumbaus gefährdet wichtige Teile der Gesundheitsreform.

Die türkis-blaue Reform der Sozialversicherung verunsichert die Krankenkassen. Die zusätzlich verordnete Ausgabenbremse (Investitionsstopp bis Ende 2019) verschärft die Probleme massiv. Josef Harb, Obmann der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, sagt: „Das ist sehr unbefriedigend für jemanden, der für 970.000 Versicherte verantwortlich ist.“

Die Regierung hat zugesagt, dass es zu keinen Verschlechterungen für Patienten kommt. Das wird von den Kassen stark bezweifelt und auch politisch längst versprochene Leistungs-Verbesserungen gibt es jetzt nicht mehr – würden sie doch zusätzliches Geld kosten. Gemeint sind Initiativen wie die Verbesserung der angespannten Landarzt-Situation, der politisch gewollte Ausbau der „Primärversorgungszentren“ (zur Entlastung der Spitäler und überfüllten Ambulanzen) oder kürzere Wartezeiten für CT/MR-Untersuchungen.

1,5 Jahre auf Eis

In ganz Österreich gibt es wichtige Projekte, deren Umsetzung gefährdet ist beziehungsweise die jetzt nach Auskunft der Kassen eineinhalb Jahre auf Eis liegen. Denn der umstrittene Ausgabenstopp wurde bis Ende 2019 verhängt.

Teils hat Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) den Kassen schon Zugeständnisse etwa bei Bauvorhaben oder neuen Ärzte-Verträgen gemacht und sie vorerst genehmigt. Wie rechtsverbindlich ihre Zusagen sind, ist aber unklar. Denn: Tritt das Gesetz über die Ausgabenbremse im August in Kraft, könnten sie bereits wertlos geworden sein – weil sie dem neuen Gesetz widersprechen.

Fix ist, Hartinger-Klein bremst bei der eigenen Ausgabenbremseder KURIER berichtete. Doch das Zurückrudern der blauen Ministerin, hat die Kassenchefs in den Ländern bisher nicht beruhigen können.

Denn auch zentrale Vorhaben der bisherigen Gesundheitsreform, die vor rund fünf Jahren unter Alois Stöger (SPÖ) gestartet und von seinen Nachfolgerinnen aufgegriffen wurden, wackeln.

Kaum jemand weiß, wie es weitergehen soll. Selbst schwarze Kassenchefs, wie der Obmann der Tiroler Gebietskrankenkasse Werner Salzburger, schimpfen über die „unausgegorene“ Reform aus Wien.

Blaues Sparschwein

Salzburger zum KURIER: „Das ist so etwas von dilettantisch. Fachleute werden nicht einbezogen, das schafft nur Unfrieden. Im Endeffekt herrscht Chaos und Stillstand auf dem Rücken der Versicherten.“ Und Salzburgers rote Kollegen in Niederösterreich und in der Steiermark, Jan Pazourek und Josef Harb, pflichten ihm bei.

„Die eine Reform gefährdet die andere Reform. Wir haben jetzt eineinhalb Jahre Wüste. Sie haben uns ein blaues Sparschwein hingestellt, dabei bräuchten wir genau jetzt dringend höhere Investitionen“, sagt Jan Pazourek, Generaldirektor der NÖ-Gebietskrankenkasse.

Ein internes Papier der Sozialversicherungsträger, das dem KURIER vorliegt, listet penibel auf, was alles durch den Ausgabenstopp gefährdet ist. Die wichtigsten Punkte:

Teurere Verträge unmöglich Die Länder und ihre Kassen wollen die Versorgung mit Allgemeinmedizinern und Kinderärzten verbessern, neue Formen der Gruppenpraxen einführen oder Ambulatorien ausbauen. Beispiel Landärzte: Höhere Honorare sollen Ärzte aufs Land zu locken. Vieles von dem ist unter dem Regime der Ausgabenbremse unmöglich.

Neue „Primärversorgung“ gefährdet Der Aufbau der neuen Gesundheitszentren, die Spitäler und Ambulanzen entlasten sollen, ist gefährdet. Damit wackelt ein Kernelement der Gesundheitsreform. Die Zentren kosten um 30 Prozent mehr, weil bei diesen auch mehr Leistungen und längere Öffnungszeiten angeboten werden als von den zuvor einzelnen Ärzten.

Mutter-Kind-Pass, Psychotherapie auf Krankenschein Ähnlich verhält es sich mit dem Ausbau des Mutter-Kind-Passes – Mehrkosten sind programmiert. Die Ärztekammer will aber keinen neuen Vertrag abschließen, weil die Honorare für die Untersuchung seit 1994 nicht erhöht wurden. Auch der Ausbau der Vorsorgeuntersuchungen oder die Mehrkosten für die Aufstockung der Psychotherapie auf Krankenschein um geplante 25 Prozent seien unter der Ausgabenbremse gefährdet bis unmöglich.

CT/MR-Vertrag läuft ausDie Wartezeiten bei CT und MR müssen sinken – so das politische Versprechen. Der Vertrag mit der Ärztekammer läuft aber Ende 2018 aus. Im internen Kassen-Papier steht: „Bereits durch den letzten Abschluss gab es durch die Aufhebung der Deckelung eine massive Steigerung des Honorarvolumens.“ Soll heißen: Nochmals steigende Honorare sind wegen der Ausgabenbremse unmöglich. Ergo: An den Wartezeiten dürfte sich wenig ändern.

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