TTIP: Widerstand in ÖVP, Länder skeptisch
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) stößt in Österreich nicht nur bei der Opposition und der SPÖ auf Widerstand, sondern verstärkt auch innerhalb der ÖVP. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist für das Abkommen, heimst sich aber damit Kritik von seinen Parteikollegen in den Ländern ein.
Die ÖVP-Landeschefs von Oberösterreich und Tirol haben TTIP zuletzt scharf kritisiert. Auch in anderen Bundesländern sind ÖVP-Vertreter skeptisch, wie ein APA-Rundruf ergab. Sie fürchten zum einen um die strengen österreichischen Vorgaben bei agrarischen Produkten und lehnen zum anderen die geplanten nicht-staatlichen Schiedsgerichte und den Investorenschutz ab. Dies könnte Konzernen ermöglichen, Staaten auf Riesensummen zu verklagen. Auf wirtschaftliche Vorteile wie die Schaffung von Jobs weisen hingegen der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer und der Kärntner ÖVP-Landesrat Christian Benger hin.
Platter solidarisch mit Bauern
Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat sich vergangene Woche erstmals öffentlich kritisch zum geplanten Abkommen geäußert. Wie die heimischen Bauern hat er Sorge, dass mit TTIP Lebensmittelstandards aufgeweicht werden könnten: "Wir lassen uns den Feinkostladen Europas nicht von billigen, unter fragwürdigen Standards erzeugten Produkten überschwemmen."
Auch im Nachbarbundesland Vorarlberg ist man nach den Worten von ÖVP-Landesgeschäftsführer Dietmar Wetz sehr sensibel, was regionale Landwirtschaftschaftserzeugnisse angehe.
Bereits Ende 2013 hatte der Vorarlberger Landtag beschlossen, dass aus Vorarlberger Sicht Normen und Standards im Arbeitsrecht, bei der Verbraucher- und Produktsicherheit und im Gesundheits-, Umwelt-, Tier- und Datenschutz im TTIP nicht geschmälert werden dürfen. "Man muss das geplante Freihandelsabkommen kritisch betrachten", dürfe es aber nicht von vorneherein ablehnen, betonte Wetz gegenüber der APA. Seiner Meinung nach werde die Diskussion derzeit "fast zu emotional geführt." Das Hauptproblem liege in der Intransparenz der Verhandlungen, "das Ganze hat schon schlecht begonnen", so Wetz.
Außer Frage stehe, dass die Rahmenbedingungen klar geregelt werden müssten. "Sowohl für die Konsumenten als auch für Kleinunternehmer sollte TTIP keine Verschlechterung sein", stellte Wetz fest. Der ÖVP-Landesgeschäftsführer spielte damit unter anderem auf Verbraucher-, Produktsicherheit und auf den Punkt der gentechnisch veränderten Lebensmittel an. Bezüglich Investitionsschutzklausel müsse sichergestellt werden, dass Unternehmen nicht erfolgreich gegen Rechtsvorschriften von Mitgliedsstaaten klagen können, wenn diese zum Wohl der Allgemeinheit erlassen werden.
Pühringer auch kritisch
Der oberösterreichische ÖVP-Chef LH Josef Pühringer hat schon im Sommer eine Petition der Kronen Zeitung gegen das Abkommen unterschrieben. Die Möglichkeit, sie auf Entschädigungen für entgangene Gewinne zu verklagen, dürfe nicht wie ein Damoklesschwert über den Staaten hängen, begründet er seine kritische Haltung. Im Jänner hatte zudem der oberösterreichische Landtag den in Abkommen wie TTIP und CETA (Kanada) vorgesehenen Schiedsgerichten eine Absage erteilt - mit den Stimmen aller Fraktionen, also auch jenen der ÖVP. In dem Initiativantrag heißt es, der funktionierende Rechtsstaat dürfe nicht durch Sondergerichtsbarkeiten unterwandert werden.
Auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sieht den Investorenschutz (ISDS) sehr kritisch. Österreich habe ein funktionierendes Gerichtswesen, daher stehe er der Schaffung eines eigenen Schiedsgerichtssystems skeptisch gegenüber, teilte er über seinen Sprecher mit. Außerdem forderte Haslauer, dass die hohen Standards Österreichs im Lebensmittel- und Agrarbereich nicht aufgeweicht werden dürfen.
Jurcazka skeptisch
Wiens ÖVP-Landesparteiobmann Manfred Jurcazka sieht die umstrittene Investorenschutzklausel ebenfalls skeptisch. Derartige Abkommen würden zwar die Rechtssicherheit erhöhen, "es darf aber zu keinem Missbrauch von Investitionsschutzinstrumenten zulasten der Verbraucher, der Gesundheit, der Umwelt und der Landwirtschaft kommen. Das lehnen wir ab", so Juraczka zur APA. Grundsätzlich sei TTIP eine Chance für die Wirtschaft, in den laufenden Verhandlungen sei aber darauf zu achten, "dass die Transparenz gewährleistet ist und unsere hohen europäischen Standards hinsichtlich Konsumentenschutz und Soziales gewahrt werden".
Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) ist der Ansicht, dass die Länder über die TTIP Verhandlungen informiert werden müssen. "Mit TTIP sind Chancen auf den Export heimischer Produkte und damit auf zusätzliche Arbeitsplätze zu erwarten. Andererseits müssen in den Verhandlungen unsere heimischen Standards wie Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Arbeitsrecht sowie Gentechnikverbot gesichert werden", betonte er. Aufgabe im Bund sei es, für mehr geschützte Marken zu sorgen.
In dieselbe Kerbe schlägt der burgenländische ÖVP-Obmann Landeshauptmannstellvertreter Franz Steindl. Ein Abbau von Export-und Handelshemmnissen sowie von zwischenstaatlicher Bürokratie sei grundsätzlich zu begrüßen. Dies würde die österreichische Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze sichern. Zur bisherigen Vorgangsweise sage er aber "ein klares Nein". Er vermisse "in höchstem Maße die Bereitschaft zu Transparenz und breiter Aufklärung", erklärte Steindl auf APA-Anfrage. Bisher lasse die Informationspolitik seitens der Verhandler "mehr als zu wünschen übrig". Hoch entwickelte Rechtssysteme, wie sie sowohl die EU-Länder als auch die USA hätten, dürften nicht durch Schiedsgerichte, die keiner Kontrolle unterlägen, "ausgehebelt" werden, meinte Steindl. Es gehe darum, die hohen österreichischen Standards zu erhalten. "Keinesfalls" dürfe es zu einer "Verwässerung" kommen, etwa bei der Lebensmittelsicherheit, im Konsumentenschutz oder bei den Arbeits-und Sozialstandards.
Schützenhöfer auf Mitterlehner-Kurs
Unterdessen spricht sich der steirische ÖVP-Chef Schützenhöfer auch nach kritischen Tönen seiner Parteikollegen aus Oberösterreich und Tirol prinzipiell für das Freihandelsabkommen mit den USA aus: "Wenn wesentliche Rahmenbedingungen eingehalten werden, befürworte ich generell ein Freihandelsabkommen mit den USA." Er stärkt damit damit Vizekanzler Mitterlehner den Rücken.
Das Abkommen habe ein "erhebliches Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen", so Schützenhöfer. Durch die Verbesserung des Marktzugangs für Produkte, Dienstleistungen und Investitionen bringe es eine Stärkung des Wachstums von Unternehmen in den Städten und Regionen. Schützenhöfer forderte aber transparente Verhandlungen und eine solide Information der EU-Bürger über das Abkommen.
In den Verhandlungen müssten dem steirischen ÖVP-Landesparteiobmann zufolge Bedingungen eingehalten werden: "Es geht vor allem darum, dass das Recht zur Festlegung von Standards unberührt bleibt. Das kann nur bedeuten, dass jeder Vertragspartner weiterhin das Schutzniveau insbesondere für Gesundheit, Sicherheit, Konsumenten-, Arbeits- und Umweltschutz nach eigenem Ermessen festlegen kann, die europäischen Standards gesichert bleiben und durch TTIP nicht abgesenkt werden." Europäisches Recht dürfe nicht durch die Verhandlungsergebnisse unterlaufen werden.
Ähnlich die Aussagen aus dem Büro Bengers, der darauf verweist, dass alle Parteien den Verhandlungen zugestimmt haben. Grundsätzlich seien mehr Chancen für die heimische Wirtschaft gut, "aber unsere hohen Standards bei Verbraucher-, Gesundheits-, Tier-, Umwelt- und Datenschutz müssen gesichert sein", so die Kärntner ÖVP. Dabei müsse jeder Vertragspartner das Schutzniveau nach eigenem Ermessen festlegen können.
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