Sechs Parteien, aber die Festung hielt stand

APA12515418-2 - 28042013 - INNSBRUCK - ÖSTERREICH: LANDTAGSWAHL IN TIROL: (v. l. n. r.) LH Günther Platter, ÖVP-Bundesparteiobmann VK Michael Spindelegger, Gerhard Reheis (SPÖ) und Andrea Haselwanter-Schneider (Liste Fritz) am Sonntag, 28. April 2013, im Landhaus in Innsbruck. APA-FOTO: ROBERT PARIGGER
Auf den Verbleib Platters hatte kaum jemand gewettet. Das Abschneiden ist auch ein persönlicher Erfolg.

Erleichterung und Überraschung standen den Granden der Tiroler Volkspartei ins Gesicht geschrieben. Der eingeflogene Bundes-VP-Chef Michael Spindelegger war in Jubelstimmung: „ Günther Platter hat gezeigt, dass er der richtige Landeshauptmann für Tirol ist.“ Angesichts der vielen Listen ein „toller Erfolg“. Er plädiert für eine Zusammenführung des bürgerlichen Lagers: „Damit die ÖVP wieder die alleinige starke Kraft wird.“

Statt dem befürchteten Absturz konnte die VP ihr Ergebnis von 2008 praktisch halten. Damals waren die Schwarzen auf 40,5 Prozent (minus 9,4 Prozent) abgestürzt - ein historischer Tiefststand. Die 39,6 Prozent diesmal sind für LH Günther Platter ein Überraschungserfolg, den er als „klaren Auftrag, das Land Tirol weiter zu regieren“ sieht. Er hatte das Halten der 16 Landtagsmandate als Wahlziel ausgegeben. Platter darf sich nun auf die Fahnen heften, den Sinkflug der Volkspartei im schwarzen Kernland gestoppt zu haben.

Dementsprechend zufrieden zeigte sich Landesgeschäftsführer Martin Malaun: „Wir sind voraussichtlich fast drei Mal stärker als die zweitstärkste Partei.“ Für den Tiroler Minister Karlheinz Töchterle, der dem Personenkomitee Platters vorstand, keine Überraschung: „Tirol steht extrem gut da, keine Schulden, eine niedrige Arbeitslosigkeit und so weiter. Das haben die Leute honoriert und deswegen hatten die Gegner auch keine Argumente, sondern nur Polemiken.“

Dabei galt Platter schon als Wackel-Landeshauptmann. Nun kann er gestärkt in Koalitionsverhandlungen gehen. Gespräche sollen mit allen möglichen Partnern geführt werden. „Wir werden voraussichtlich mit der SPÖ beginnen“, so Malaun.

Beeindruckend ist das Ergebnis vor allem aufgrund von vier Listen, die im bürgerlichen Lager auf Stimmenfang gegangen sind. Vor allem die VP-Dissidenten-Liste „vorwärts Tirol“ galt als scharfe Konkurrenz und kam auf über neun Prozent.

Innsbrucks Bürgermeisterin und Mitgründerin von „vorwärts Tirol“, Christine Oppitz-Plörer, schloss eine Fusion nach der Wahl jedoch aus: „Getrennt marschieren und vereint schlagen ist Uraltpolitik.“ Sie hatte sich 2012 mit Platter überworfen.

Schon 2008 war die VP Tirol mit einer Abspaltung konfrontiert gewesen. Fritz Dinkhauser eroberte damals den zweiten Platz. Die Selbstzerfleischung der Volkspartei hat in Tirol Tradition. Nach Langzeit-Landeshauptmann Eduard Wallnöfer schied keiner seiner Nachfolger gänzlich freiwillig aus dem Amt.

Die VP wieder zu einen, hat auch Platter nicht geschafft. Seine Partei bleibt aber klare Nummer eins. Vorgänger Herwig van Staa ist überzeugt, dass „Günther Platter nun nicht nur in der VP und in Tirol gestärkt ist, sondern auch im Bund anders wahrgenommen wird.“

Alle gegen die ÖVP" lautete das Motto bei der Landtagswahl in Tirol. Elf Listen traten an – doch die Kampagne der Volkspartei gegen chaotische italienischen Verhältnisse dürfte gefruchtet haben. Fünf Parteien scheiterten an der fünf Prozent-Hürde. Der prominenteste Pleitefall ist das Team Stronach – es ist die erste herbe Niederlage für den Austro-Kanadier in der Politik.

Während die ÖVP aufatmete, mussten viele Mitbewerber ihre Erwartungen am Wahlabend deutlich nach unten schrauben.

SPÖ

Mit 13,8 Prozent verloren die Sozialdemokraten unter dem designierten Parteiobmann Gerhard Reheis weiter. Schon 2008 stürzte man um 10,4 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent ab. Reheis zeigt sich im KURIER-Gespräch dennoch zufrieden: „Ich habe klar gesagt, ich möchte Platz 2 für die SPÖ und ein starkes Plus.“ Zumindest einen Teil habe man erfüllt. „Aber wir haben halt nicht wie die ÖVP fünf Millionen für die Wahlkampagne zur Verfügung.“ Für Re-heis hat „die Angstmache der ÖVP vor einem Polit-Chaos wohl funktioniert.“ Er selbst will weiter Parteichef bleiben.

Grüne

Hinter den Erwartungen blieben die Grünen: Spitzenkandidatin Ingrid Felipe hatte als Wahlziel wiederholt erklärt, die Grünen zur zweitstärksten Partei machen zu wollen. Mit 12,1 Prozent schaffte man das nicht. Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner ist trotzdem zufrieden: Als einzige Partei im Landtag habe man einen Zugewinn geschafft. „Der grüne Aufwärtstrend setzt sich nach Kärnten und Niederösterreich fort.“ Immerhin wurden sie stärkste Kraft in Innsbruck und mit Ahmet Demir kommt der erste Tiroler mit Migrationshintergrund in den Landtag.

Vorwärts Tirol

Zu den Gewinnern darf sich die ÖVP-Abspaltung „Vorwärts Tirol“ bezeichnen. Aus dem Stand schaffte Spitzenkandidat Hans Lindenberger 9,3 Prozent – kräftig unterstützt von Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer und Landeshauptfrau-Kandidatin Anna Hosp. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt sie zum KURIER. Sie verwies etwa auf Reutte, wo man die ÖVP auf Platz 2 verdrängt habe. Dass aus dem angestrebten zweiten Platz im Land nichts wird, nimmt Hosp locker: „Für mich ist heut auf jeden Fall ein Grund zu feiern.“

FPÖ

Nach der Pleite in Kärnten und in Niederösterreich setzte es am Sonntag für die FPÖ das nächste Minus: Mit 9,6 Prozent lagen die Freiheitlichen klar hinter den 12,4 Prozent von 2008. Spitzenkandidat Gerald Hauser fand das Ergebnis dennoch „nicht so schlecht“, deutlicher war Bundes-Obmann HC Strache: „Wir haben unser Ziel nicht erreicht, das ist nicht erfreulich.“

Liste Fritz

Mit 18,4 Prozent war er der Shootingstar bei der Landtagswahl 2008. Doch nachdem sich Parteigründer Fitz Dinkhauser aus gesundheitlichen Gründen zurückzog, stürzte die Liste auf 5,6 Prozent ab. „Ich bin natürlich enttäuscht“, sagt Dinkhauser zum KURIER. „Die vielen Gruppen haben sich gegenseitig aufgerieben.“ Für Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider schmerzt vor allem, dass man das Ziel einer Regierung ohne ÖVP nicht geschafft habe. Bloß der Einzug in den Landtag klappte.

Bürgerklub Tirol

Transit-Rebell Fritz Gurgiser, eine Abspaltung von der Liste Fritz, scheitert mit 4,8 Prozent denkbar knapp an der 5-Prozent-Hürde.

Team Stronach

Eine völlig neue Erfahrung musste Polit-Neuling Frank Stronach machen: Nachdem es in Kärnten und NÖ auf Anhieb mit dem Debüt klappte, setzte es in Tirol eine Total-Pleite. Das Listen-Chaos verschreckte offenbar die Tiroler so sehr, dass nur 3,4 Prozent dem Austro-Kanadier seine Stimme gaben. „Es sind Fehler gemacht worden. Die Stabilität ist erst seit 14 Tagen wieder da“, gesteht Parteiobmann Walter Jenewein ein. Ab Montag arbeite man für die Nationalratswahl. Und Stronach-Klubchef Robert Lugar meint zur Wahl im Herbst: „Unseren Siegeszug wird das nicht aufhalten“

Kleinparteien

Neben Stronach schafften auch die KPÖ, die Piraten sowie die Liste Für Tirol den Einzug nicht.

Haben Sie das gute Ergebnis für die ÖVP erwartet?

Wendelin Weingartner: Bei den Wetten im Freundeskreis bin ich ziemlich deutlich beim Wahlergebnis gelegen. Ich dachte mir, dass das Wirrnis der vielen Parteien dazu geführt hat, dass die Menschen keine Splitterpartei wählen. Das VP-Ergebnis ist viel besser, als viele Auguren vermutet haben.

Wie erklären Sie sich das?

Ich fand die Warnung vor den italienischen Verhältnissen überzogen. Aber die Sorge, dass das Land nicht regierbar wird, hat sehr gezogen.

Die SPÖ hat verloren, sollten sie dennoch koalieren?

Ich würde davon ausgehen. Die Frage ist, ob die SPÖ glaubt, sich besser in der Opposition erholen zu können.

Wären die Grünen eine Option?

Die wären als Koalitionspartner schon interessant. Ich hätte damals auch gerne ein Experiment mit den Grünen gewagt. Aber die waren damals viel zu schwach. Platter hat jetzt alle Optionen offen. Die erste Option wird wohl die SPÖ sein.

„Vorwärts Tirol“ schafft rund zehn Prozent. Für Sie ein Erfolg oder Misserfolg?

Na immerhin, vom Stand weg zehn Prozent sind doch ein gewisser Erfolg. Die Frage ist doch, ob eine Einigung so bald möglich wäre, das weiß ich nicht. Im Streit um den Innsbrucker Bürgermeister gab es viele Beleidigungen. Das wird nicht so leicht wieder gut zu machen sein, weil viele Dinge gesagt wurden, die man unter Parteinahen nicht hätte sagen sollen.

KURIER: Ein Wahlergebnis ganz nach Ihrem Geschmack?

Andreas Khol: Landeshauptmann Platter ist vollends bestätigt worden, er hat sein Wahlziel erreicht und alle Optionen offen. Er kann sich den Partner aussuchen.

Soll er die Koalition mit der SPÖ fortsetzen?

Die Verluste der SPÖ haben mich überrascht. Jetzt hat sie ein großes Problem, Platter zu überzeugen,dass sie ein verlässlicher Koalitionspartner sein wird. Ich denke, die SPÖ wird sich in der Opposition wiederfinden, das entspricht auch dem Wahlergebnis. Es deutet vieles darauf hin, dass Platter die Grünen in eine Koalition holt. Das fände ich nicht schlecht, das wäre innovativ.

„Vorwärts Tirol“ ist schwächer als erwartet – überrascht?

Nein, das ist nicht überraschend. Der Anschlag auf Platter ist fehlgeschlagen. Es haben sich ja alle gegen den Günther verschworen, und jetzt ist er der Einzige, der sein Wahlziel erreicht hat. Die Linie der ÖVP – „Wir oder das Chaos“ – war doch sehr glaubwürdig. Die Wähler haben die Rache, das Motiv von Frau Hosp, nicht goutiert.

Und warum, glauben Sie, ist das Team Stronach gescheitert?

Das wundert mich gar nicht. Ein Reich, das uneins ist, zerfällt. Das steht schon in der Bibel.

Kommentare