Studiengebühren: VfGH hebt autonome Einhebung auf

Ein voll besetzter Hörsaal mit vielen Zuhörern.
Der Staat habe für Finanzierung der Unis "besondere Verantwortung", begründet der VfGH die Entscheidung.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hält die Übertragung der Kompetenz für die Einhebung von Studiengebühren an die Unis für verfassungswidrig. Dem Staat komme für die Finanzierung öffentlicher Universitäten eine "besondere Verantwortung" zu, betonte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Diese bedinge eine gesetzliche Regelung für die Einhebung von Studiengebühren, eine Übertragung in die Autonomie der Unis sei "ausgeschlossen". Die aktuell gültige im Dezember 2012 beschlossene Studiengebührenregelung ist davon nicht betroffen.

Gleichheitswidrigkeit

Die Entscheidung des VfGH betrifft die im Wintersemester 2012/13 geltende Rechtslage: Acht der 21 Universitäten hatten damals Studiengebühren für Langzeitstudenten und Studenten aus Nicht-EU-Staaten eingehoben, nachdem der VfGH mit 1. März 2012 die gesetzliche Regelung dazu aufgehoben hatte und sich die Regierung auf keine Reparatur einigen konnte.

Gegen diese - mit Beschwerden vor den VfGH gebrachte - Vorgangsweise leitete der VfGH im Oktober 2012 ein Verordnungsprüfungsverfahren ein. Daraufhin schafften SPÖ und ÖVP im Dezember die gesetzliche Reparatur der Studiengebührenregelung für die Zukunft und wollten gleichzeitig die im Wintersemester 2012/13 "autonom" eingehobenen Gebühren rückwirkend sanieren.

Diese gesetzliche Sanierung hat der VfGH nun wegen Gleichheitswidrigkeit aufgehoben. Gleichzeitig hielt er aber auch grundsätzlich fest, dass die Übertragung der Kompetenz für die Einhebung von Studienbeiträgen an die Unis verfassungswidrig ist. Aus verfahrenstechnischen Gründen wurden die konkreten Verordnungs-und Bescheidprüfungsverfahren noch nicht entschieden. Angesichts der Aussagen in der Entscheidung "sind die Universitäten aber nicht gehindert, diese Gebühren zurückzuzahlen", so Holzinger.

Verfahren ausständig

Dass die konkreten von den Studenten eingebrachten Beschwerden noch nicht entschieden wurden, habe mit den unterschiedlichsten Verfahrenskonstellationen zu tun. Diese würden nun im Herbst behandelt, betonte Holzinger. Gleichzeitig hielt der VfGH aber recht klar fest, dass die Unis "angesichts der Aussagen in der heutigen Entscheidung jedoch Vorkehrungen für die Rückzahlung (bzw. Anrechnung) von Studiengebühren an die Studierenden treffen können".

Die Universitäten haben während des Verfahrens immer wieder angekündigt, die Gebühren im Falle der Verfassungswidrigkeit ihrer Einhebung zurückzuzahlen. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (V) seinerseits hatte den Hochschulen die Erstattung dieser Kosten zugesagt.

Rückzahlung

Die Universitäten werden nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs den betroffenen Studenten die im Wintersemester 2012/13 bezahlten Gebühren wie angekündigt rückerstatten. Gleichzeitig gehe man davon aus, dass das dafür nötige Geld den Unis vom Wissenschaftsministerium ersetzt wird, so die Generalsekretärin der Universitätenkonferenz (uniko), Elisabeth Fiorioli, gegenüber der apa.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) kündigte in einer Aussendung genau das an: Den acht betroffenen Unis werde das Geld "jedenfalls umgehend ersetzt". Laut ersten Berechnungen gehe es dabei um zwölf Mio. Euro. Außerdem will er eine gesetzliche Regelung, die den Unis die autonome Einhebung erlaubt.

Die uniko sei froh, "dass nun Rechtssicherheit hergestellt ist, wie die Entscheidung über die Einhebung von Studienbeiträgen zu erfolgen hat." Sie falle nicht in den autonomen Wirkungsbereich der Universitäten, sondern liege in der Verantwortung des Gesetzgebers. "Die Unis dürfen nicht als Experimentierfeld für Entscheidungen missbraucht werden, die aufgrund politisch festgefahrener Positionen von den dafür Verantwortlichen nicht getroffen werden.“

19. September 2000: ÖVP und FPÖ beschließen die Einführung von Studiengebühren in Höhe von 5.000 Schilling (363,36 Euro) pro Semester. Zehntausende Studenten, Schüler und Hochschullehrer demonstrieren.

1. Oktober 2001: Die Gebühren werden im Wintersemester 2001/02 erstmals eingehoben. Die Studentenzahl sinkt um 19,7 Prozent, jene der Studienanfänger um rund 14 Prozent.

Sommer 2006: Zum Auftakt des Nationalrats-Wahlkampfes verspricht SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer die Abschaffung der Gebühren, falls er Bundeskanzler wird.

8. Jänner 2007: SPÖ und ÖVP einigen sich auf die Beibehaltung der Studiengebühren bei gleichzeitigem Ausbau des Stipendiensystems.

24. September 2008: Im Nationalrat werden mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen die Studiengebühren de facto abgeschafft. Gebührenbefreit sind Österreicher und EU-Bürger, die innerhalb der Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemestern studieren. Wer länger braucht, muss 363,36 Euro pro Semester berappen, es gibt aber zahlreiche Ausnahmen. Den Unis wird der dadurch verursachte Einnahmen-Entfall aus dem Bundesbudget abgegolten.

7. Juli 2011: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erklärt die Studiengebühren-Regelung für verfassungswidrig, weil sie nicht hinreichend klar ist. Er gibt der Regierung bis 29. Februar 2012 Zeit, das Gesetz zu reparieren.

17. Oktober 2011: Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (V) veröffentlicht ein von ihm beauftragtes Rechtsgutachten von Verfassungsjurist Heinz Mayer, wonach Unis autonom Studiengebühren in beliebiger Höhe in ihren Satzungen festschreiben können. Die SPÖ legt kurz darauf Gegengutachten vor, wonach keinerlei Gebühren mehr eingehoben werden können.

1. März 2012: Die Regierung einigt sich nicht rechtzeitig auf eine Neuregelung. Jene Bestimmungen, die regeln, wann und in welcher Höhe Studiengebühren zu zahlen sind, fallen aus dem Gesetz.

1. Oktober 2012: An acht der 21 Unis haben sich die Senate dafür entschieden, in Eigenregie Studiengebühren einzuheben. Jene Studenten, die aus einem Nicht-EU-Land kommen bzw. die Mindeststudienzeit um mehr als zwei Semestern überschreiten, müssen an den Unis Wien, Innsbruck, Linz, Graz, der Wirtschaftsuni, der Technischen Uni Graz, der Veterinärmedizinischen Uni und am Mozarteum 363,36 Euro pro Semester bezahlen. Studenten versuchen mit Bescheidbeschwerden, beim VfGH eine Aufhebung der Gebührenregelung zu erreichen.

17. Oktober 2012: Der VfGH gibt bekannt, ein Verordnungsprüfungsverfahren gegen die autonome Vorschreibung der Gebühren durch die Unis einzuleiten.

9. November 2012: Die Regierung beschließt mit achtmonatiger Verspätung eine Reparatur der vom VfGH im Juli 2011 aufgehobenen Gebührenregel. Ab dem Sommersemester 2013 müssen demnach nicht berufstätige Studenten aus Österreich und EU-Ländern, die die Mindeststudienzeit um zwei Semester überschreiten, 363,36 Euro pro Semester zahlen, Studenten aus Nicht-EU-Staaten 726,72 Euro. Wieder sind zahlreiche Ausnahmen vorgesehen. Außerdem sollen die uni-autonomen Gebühren rückwirkend saniert werden.

26. Juli 2013: Der VfGH hält fest, dass die autonome Einhebung der Gebühren durch die Unis verfassungswidrig war. Gleichzeitig hebt er die von der Regierung angestrebte rückwirkende Sanierung wegen Gleichheitswidrigkeit auf.

Seit dem 1. März 2013 gilt die aktuelle - vom aktuellen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) unberührte - Regelung der Studiengebühren: Demnach müssen nicht berufstätige Langzeitstudenten und Nicht-EU-Bürger Beiträge entrichten - das sind rund 15 Prozent aller Studenten. Langzeitstudenten zahlen pro Semester 363,36 Euro, Nicht-EU-Bürger das Doppelte. Daneben gibt es zahlreiche Ausnahmeregelungen.

Zahlen müssen inländische bzw. EU-Studenten, die die vorgeschriebene Mindeststudienzeit um mehr als zwei Semester überschritten haben. Ausgenommen sind trotz Überschreitung berufstätige Studenten, Studienbeihilfebezieher, Behinderte sowie (für den Zeitraum der entsprechenden Verhinderung) Kranke und Schwangere, Studenten auf Auslandssemestern sowie Studenten mit Kinderbetreuungspflichten. Die zweite betroffene Gruppe sind Studenten aus Nicht-EU-Staaten, Ausnahmen gibt es vor allem für Studenten aus Entwicklungsländern.

Paradox

Zumindest inhaltlich entspricht dies in etwa die gleiche Regelung, die der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mittlerweile bereits zweimal aufgehoben hat. 2011 wegen mangelnder inhaltlicher Klarheit und nun wegen der fehlenden Kompetenz der Uni zur autonomen Einhebung.

Die aktuelle Regelung hat der VfGH nicht geprüft (und ist auch von niemandem angefochten worden): Die mangelnde inhaltliche Klarheit betraf eine Passage, bei der für die Frage der Gebührenpflicht auf die Zahl der Studienabschnitte eines Studiums zurückgegriffen wurde: Da es in der neuen Bachelor/Master-Struktur aber keine Studienabschnitte mehr gibt, sah der VfGH die Regelung als zu unklar an und hob sie im Juli 2011 auf. In der Neufassung wurde diese Unklarheit beseitigt, mit der gesetzlichen Regelung das Verbot der autonomen Einhebung durch die Unis umgangen.

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