Warum geben die Parteien keine Wahlempfehlung ab?

Zwei Männer im Profil, der linke mit Brille und Mikrofon, der rechte vor einem Werbeplakat.
Faymann hat sich deklariert, die SPÖ aber genausowenig wie die ÖVP. Warum eigentlich?

Die Republik steht am Scheideweg. "Diese Wahl bedeutet eine langfristige Weggabelung", sagt Ferdinand Karlhofer, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck. Und: "Man darf die Möglichkeiten des Bundespräsidenten nicht unterschätzen" – worauf auch auf die beiden Kandidaten gerne verweisen. Es geht um viel.

Es sind mit Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer bekanntlich zwei Personen mit sehr gegensätzlichen Positionen, die da am 22. Mai zur Wahl stehen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich keiner der Verlierer des ersten Wahlgangs deklarieren will und eine offizielle Wahlempfehlung für einen der beiden Kandidaten ausspricht. Dass Wahlempfehlungen tatsächlich Einfluss auf das Wahlverhalten haben, erklärt Karlhofer am Beispiel Frankreich, wo 2002 der damalige Chef des rechten Front National, Jean-Marie LePen, in die Stichwahl kam. Die Verlierer des ersten Wahlgangs empfahlen LePens Gegner Jacques Chirac – der im zweiten Wahlgang dann 82 Prozent der Stimmen erhielt. Wahlempfehlungen "geben dem Wähler Orientierung", sagt Karlhofer.

"Kurzsichtigkeit" dominiert in den Parteien

Aber Österreichs Wahlverlierer können sich einfach nicht durchringen. Irmgard Griss ist eine Quasi-Empfehlung ausgekommen, die sie wieder dementierte. In der SPÖ haben sich – vom Bundeskanzler abwärts – mehrere Spitzenfunktionäre deklariert, Alexander Van der Bellen zu wählen. Beim Koalitionspartner ÖVP haben sich bislang nur bekannte Abweichler von der Parteilinie wie Franz Fischler und Othmar Karas zu Alexander Van der Bellen bekannt. Wahlempfehlungen für Norbert Hofer sind außerhalb der FPÖ und des Team Stronach nicht bekannt.

Warum deklarieren sich die Parteien nicht? "Kurzsichtigkeit", sagt Politologe Karlhofer. Auf Seiten der ÖVP komme Opportunismus dazu: "Da will man sich die Variante Schwarz-Blau nicht verbauen." Und die SPÖ, sowieso schwer in der Krise, würde es bei einer Empfehlung für Van der Bellen "zerreißen". Auch wenn sich dort offiziell niemand für Hofer positioniert.

Zurufe aus dem Ausland schaden

Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle glaubt im Gegensatz zu Karlhofer, dass offizielle Wahlempfehlungen einer Partei "nicht mehr viel bringen" würden. Viel wichtiger sei die lokale Ebene: "Was schon funktioniert, sind Bürgermeister und Funktionäre am Stammtisch. Wenn man im Wirtshaus mit den Wählern diskutiert", sagt Stainer-Hämmerle.

Und manche Empfehlung kann sogar nach hinten losgehen. "Was den Grünen auf jeden Fall schadet, sind Zurufe aus dem Ausland. Das hat bei Waldheim schon gut funktioniert" – der zog 1986 bekanntlich mit einem "Jetzt erst recht"-Wahlkampf in die Hofburg ein, nachdem seine mögliche Beteiligung an Kriegsverbrechen zum Thema wurde. Und was, wenn ein unbeliebter Politiker, etwa ein schwer angeschlagener Bundeskanzler, zur Wahl eines Kandidaten aufruft? Könnte das diesem Kandidaten vielleicht sogar schaden? "Es könnte schon sein, dass eine Empfehlung einer bestimmten Person nicht unbedingt zum Vorteil gereicht", sagt Karlhofer.

Medien geben in Österreich traditionell keine Wahlempfehlungen ab; im Gegensatz zum anglosächischen Raum, wo sich etwa die New York Times schon in den Vorwahlen deklarierte und zur Wahl von Hillary Clinton aufgerufen hat.

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