Vermögenszuwachssteuer als Faymanns neues Ziel

Ein Mann im Anzug geht mit zwei weiteren Männern in einem Gebäude entlang.
Nach Häupls Zugeständnis, von Substanzsteuern abzulassen, legt der Kanzler nach.

Knapp einen Monat vor der selbst gesetzten Steuerreform-Deadline hat sich die SPÖ am Freitag von ihrer Forderung nach einer neuen Vermögenssteuer verabschiedet. Ausgelöst wurde der Schwenk vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl, kurz darauf machte Parteichef Werner Faymann den Rückzug auf die Besteuerung von Vermögenszuwachs offiziell.

Beim Parteitag im vorigen November hatte die SPÖ die Vermögensteuer noch explizit als Möglichkeit für die Gegenfinanzierung der Steuerreform beschlossen - neben einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, Strukturreformen sowie der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung. Ab Donnerstagabend war dann alles anders. "Wenn man genau hinhört, sprechen alle von 'keine Vermögenssubstanzbesteuerung'. Das ist ein Wegweiser, der zeigt, wohin es gehen kann", meinte Häupl im "Standard".

Tags darauf sprang Faymann auf den Zug auf und sprach von einem Angebot an die ÖVP. "Wir wollen ein Ergebnis, dass den Menschen mehr netto vom brutto bleibt", hieß es aus dem Kanzleramt, "und dafür sind wir auch bereit, Kompromisse einzugehen." Klar sei jedenfalls, dass es einen Beitrag der Reichsten zur Finanzierung der Steuerreform geben müsse.

Auf Regierungsebene erhielt er Unterstützung von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. "Uns geht es darum, dass die Menschen am Schluss mehr Netto vom Brutto haben. Da bleiben wir kompromisslos", ließ dieser wissen. Häupl betonte am Freitag dann, dass er nicht von der Forderung nach einer Millionärsabgabe abrücke. Er forderte eine Erbschaftssteuer und definierte sie nicht als Substanz-, sondern als Zuwachssteuer.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl sieht darin keinen Schwenk. Das Modell, die Substanz mit 0,5 Prozent zu besteuern, sei weiterhin zu diskutieren. "Das ist ja nicht entschieden, dass die SPÖ jetzt grundsätzlich sagt: Wir wollen keine Millionärssteuer im herkömmlichen Sinn, wir wollen ja eine Zuwachssteuer", so Niessl.

Nicht alle zufrieden

Intern gab es aber auch Murren. ÖGB-Präsident Erich Foglar zeigte sich über den medial vermittelten Schwenk der SPÖ unglücklich. Er pochte auf eine Entlastung der Arbeitnehmer und Pensionisten und sah keinen Anlass, vom ÖGB-Steuerkonzept abzuweichen. Dieses sieht zwei Mrd. Euro an Einnahmen aus Vermögenssteuern vor. Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske forderte nicht nur eine massive Entlastung, sondern auch eine Gegenfinanzierung ohne Belastung der Arbeitnehmer.

Am lautesten war die Kritik seitens der Sozialistischen Jugend. "Wenn mit einem Koalitionspartner kein Fortschritt möglich ist, muss sich die SPÖ ernsthaft die Frage stellen, ob sie an dieser Regierung festhalten möchte", meinte die Vorsitzende Julia Herr in einer Aussendung. Auf "Facebook" postete sie eine Grafik zur Steuerreform, in der die Millionärsabgabe mit dem Kommentar "just kidding" durchgestrichen war.

Ein Balkendiagramm vergleicht die Gegenfinanzierungsvorschläge von SPÖ und ÖVP in Milliarden Euro. Oben steht handschriftlich „just kidding“.

ÖVP freut sich

Erwartungsgemäß positiv fiel die Reaktion der ÖVP aus. "Jetzt ist selbst die SPÖ der Meinung, dass Substanzsteuern keinen Sinn machen", freute sich Parteichef Reinhold Mittlerlehner. Generalsekretär Gernot Blümel sah eine Lösung näher rücken und betonte seine Ablehnung auch von Erbschafts- und Schenkungssteuern.

Finanzminister Hans Jörg Schelling ist von den SPÖ-Plänen "offiziell nichts bekannt". Er könne dies nicht beurteilen. "Ich sehe auch innerhalb der SPÖ unterschiedliche Meinungen", so Schelling Freitag in Brüssel. "Wir werden uns morgen damit befassen, welche Richtungen jetzt die gültigen sind". Jedenfalls "hoffen wir, einen guten Schritt weiter zu kommen", so der Finanzminister. Vor allem werde es darum gehen, "konventionelle Gegenfinanzierungsmaßnahmen" zu beraten.

Ein wenig anders sahen das die Grünen. Vize-Klubchef Werner Kogler zeigte sich vom Abrücken von Vermögenssteuern im klassischen Sinn nicht überrascht. Dies mache nun aber den Weg für die entscheidende Komponente zur Gegenfinanzierung frei, nämlich zu einer Abgabe auf Millionenerbschaften.

Seit Donnerstag Abend ist in der Regierung Entwarnung angesagt. Die SPÖ nimmt von ihrer Forderung nach einer Vermögenssubstanzsteuer Abstand. Wiens Bürgermeister Michael Häupl sagt im Standard, die heimischen Betriebe hätten ohnehin eine eher zu dünne Kapitaldecke, daher seien Vermögenssubstanzsteuern problematisch. „Häupl schwenkt auf ÖVP-Line. Damit kommen wir der Lösung einen Schritt näher“, reagiert ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel erfreut. „Nun geht die Diskussion in die richtige Richtung.“

Notbremse

Der Schwenk der SPÖ hatte sich im Laufe des Donnerstags bereits abgezeichnet. „Die Steuerreform wird kommen, und sie wird für alle ein höheres Netto vom Brutto bringen“: So reagierte Sozialminister Rudolf Hundstorfer auf einen Bericht des KURIER, wonach die ÖVP bei der Ablehnung von „Reichensteuern“ hart bleiben werde. „Die SPÖ wird auch hart bleiben“, konterte Hundstorfer, „und vom Grundsatz, dass den Menschen am Schluss mehr Geld bleibt, nicht abrücken“. Bereits in dieser Replik Hundstorfers auf die ÖVP machte der Sozialminister den „harten Punkt“ der SPÖ an der Entlastung fest und nicht an „Reichensteuern“, wie dies Kanzler Werner Faymann zuletzt getan hat.

Auch für ÖGB-Präsident Erich Foglar geht es in erster Linie um eine Entlastung der Arbeitnehmer – seiner Mitglieder. Die Arbeiterkammer beharrte hingegen erneut auf Reichensteuern. Hundstorfer stellte auch klar, dass die SPÖ „ganz sicher keine Neuwahlen will“. Der KURIER hatte berichtet, dass Kanzler-Vertraute der ÖVP mit Neuwahlen drohten, sollte es nicht „zumindest eine Erbschaftssteuer“ geben. Die ÖVP nahm die Drohungen – wie berichtet – nicht ernst. Doch Hundstorfer und Häupl zogen wegen Gefahr in Verzug die Notbremse. „In eine Neuwahl kann eine Regierung auch ungewollt stolpern, auch taktische Drohungen sind gefährlich“, hieß es aus deren Umfeld.

Nachdem die SPÖ nun eine Riesen-Hürde weggeräumt hat, dürfte einer Steuer-Einigung am 17. März nichts mehr im Weg stehen. „Eine Steuersenkung würde eine positive Grundstimmung für SPÖ und ÖVP im Super-Wahljahr bringen“, sagt Kommunikationsexperte Josef Kalina. „SPÖ und ÖVP sollten die Steuerreform als gemeinsamen Erfolg kommunizieren, sie sollten das Erreichte hervor heben und nicht das, was sie beim Koalitionspartner nicht durchgebracht haben“, rät Kalina.

Keine Neuwahlen

Kalinas Firma Unique Relations organisierte Donnerstag Abend eine Diskussionsrunde der Generalsekretäre Norbert Darabos (S), Gernot Blümel (V), Herbert Kickl (F), Stefan Wallner (G) und Feri Thierry (Neos) zum Super-Wahljahr. Trotz Differenzen waren sich die Parteimanager einig: Es wird keine vorzeitigen Neuwahlen geben.

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