Steuerreform: Für Familien bleibt kaum Geld übrig
Nicht nur die SPÖ musste von ihren Vorstellungen deutlich abrücken – Stichwort Vermögenssteuern. Auch die ÖVP muss große Abstriche machen. Die Schwarzen werden ihre Versprechen in Richtung Wirtschaft und Familien nicht einhalten können. Dafür reicht das Entlastungsvolumen von rund fünf Milliarden Euro nicht aus. Das erfuhr der KURIER aus Verhandlerkreisen.
Die Sache ist die: Von den fünf Milliarden gehen nach bisherigem Verhandlungsstand zwischen 4,3 und 4,5 Milliarden Milliarden für die Tarifreform auf.
Fix ist, dass der Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent reduziert wird. Weil aber auch die anderen Tarifstufen sinken, fließt in diesen Bereich der Löwenanteil der Entlastung.
Von den restlichen rund 500 bis 700 Millionen Euro (auf die Gesamtsumme) werden etwa 200 Millionen für die Entlastung der Niedrigstverdiener aufgehen, die nicht lohnsteuerpflichtig sind. Sie sollen weniger Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Bleiben rund 300 bis 500 Millionen um Wirtschaft und Familien zu entlasten. Im Wirtschaftsbereich sollen die Lohnnebenkosten sinken – eine langjährige Forderung von Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung. Doch allein, wenn der Dienstgeber-Anteil für den FLAF (Familienlastenausgleichsfonds) um einen halben Prozentpunkt gesenkt wird, kostet das bereits 400 Millionen Euro. Die Folge: "Der Anteil für die Familien schrumpft gegen Null", sagt ein Insider.
Ursprünglich hatte die ÖVP 1,2 Milliarden Euro für beide Bereiche angepeilt: 800 Millionen waren für die Wirtschaft vorgesehen (Lohnnebenkosten, Investitionsförderung). Und mit 400 Millionen Euro hätten die Familien von der Entlastung profitieren sollen, jeder Familie hätten pro Jahr 2210 Euro mehr zur Verfügung stehen sollen. Davon wird nun nicht viel übrig bleiben.
Ein Wirtschaftsforscher, der ungenannt bleiben will, sagte zum KURIER: "Es ist schon ein Jammer. Das Volumen ist zu gering, die Steuerreform wird kaum einen Wachstumseffekt haben. Und für Aktivmaßnahmen wie Forschung gibt es überhaupt kein Geld."
Dabei musste Finanzmininster Hans Jörg Schelling – erzählen SPÖler – erst von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner "overruled" werden, um überhaupt das Entlastungsvolumen von fünf Milliarden Euro zu akzeptieren.
Schelling muss aber auch die Budgetsicht im Auge behalten (siehe Artikel unten) – und so verweisen ÖVPler gerne auf die ungedeckten Schecks der Entlastung und mahnen zusätzliche Sparanstrengungen ein.
Match ums Sparen
Diese sollen nun zumindest für die zweite Etappe der Steuerreform kommen, was aber laut ÖVP-Fahrplan erst 2019/’20 der Fall sein wird. Ein Roter sagt dazu: "Da mach ich mir keine Sorgen. Wer weiß, wie dann die Regierungszusammensetzung aussehen wird. " Ein Experte befindet, das Einspar-Thema sei nicht erledigt: "Weil es die zwei Milliarden aus der Millionärs- und Erbschaftssteuer nicht spielt, müssen jetzt zur Gegenfinanzierung mehr Einsparungen gelingen. Sonst geht sich das hinten und vorne nicht aus."
Österreich verfehlt sein Nulldefizit-Ziel im Jahr 2016 ("strukturell") und kommt mit den EU-Sparvorgaben in Konflikt. Das könnte nach den bereits erfolgten Mahnungen aus Brüssel im schlimmsten Fall ein neues Defizitverfahren samt Strafzahlungen in einer Größenordnung von 600 Millionen Euro bedeuten.
Dieses Szenario wird derzeit in ÖVP-Kreisen diskutiert, wohl auch um der SPÖ Dampf bei zusätzlichen Einsparungen zu machen. "Hier läuft immer das selbe Match", ärgert sich ein Roter.
Im April muss die neue Budgetvorschau nach Brüssel gemeldet werden. Derzeit fehlen nach Schätzung von Christian Helmenstein, Chefökonom in der Industriellenvereinigung, auf die jüngsten EU-Vorgaben vom Dezember und aufgrund des Konjunktur-Einbruchs zwei Milliarden Euro im Budgetpfad. Dazu kommen 2016 weitere 1,6 Milliarden an "strukturellem Konsolidierungsbedarf."
Fiskalrat-Chef Bernhard Felderer gibt zu Bedenken, dass es erst abzuwarten gelte, wie die Steuerreform und ihre Auswirkungen genau aussehen. Dennoch warnt auch Felderer aus Budget- und Schuldensicht, dass "die Gefahr besteht, dass wir uns mit der Steuerreform ein Eigentor schießen".
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