Spannung vor Erdogans "Privatbesuch"

Morgen kommt der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan nach Wien - während Österreichs Politiker auf Abkühlung setzen, rüsten seine Gegner zu zwei Gegendemonstrationen. Die 7000 Gratistickets für die Albert Schultz-Halle waren in kürzester Zeit vergriffen, etwa 10.000 Menschen werden an der Video-Wall vor der Halle erwartet. Von Erdogan selber gibt es noch keine Aussagen zum Auftritt in Wien. Maßstab ist eine Rede, die er am 24. Mai in Köln gehalten hat. Damals hat er einerseits zur Integration aufgerufen - unter Ablehnung einer Assimilation -, andererseits aber seine Zuhörer auf ihr Türkentum eingeschworen, und deutlich auf die Präsidentschaftswahlen im August in der Türkei hingewiesen. Erdogans Partei AKP hat dafür offiziell noch keinen Kandidaten nominiert, allgemein wird aber davon ausgegangen, dass Erdogan selber antritt. Der Premier hat in dieser Rede, wie auch sonst gerne, Medien angegriffen.
Und auch in Wien dürfte der Umgang mit Medien nicht einwandfrei sein: Der Veranstalter, der AKP-nahe Verein UETD verweigerte etwa einer Redakteurin der Gratiszeitung "Heute" die Akkreditierung. Schon anlässlich einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Freitagabend hatte der UETD versucht, die Berichterstattung der Journalisten über eine "Erklärung" einzuschränken, die hätte unterschrieben werden müssen. Als die anwesenden vier Redakteure dies kollektiv ablehnten, verzichtete UETD-Präsident Abdurrahman Karayazili auf die Maßnahme.
Tausende demonstrieren
Die Polizei ist für morgen jedenfalls gerüstet: Ein Bündnis mehrerer linksgerichteter Organisationen mobilisiert für eine Demo vom Praterstern/Venediger Au über die Reichsbrücke in die Donaustadt. Beim Donauzentrum in der Siebeckstraße war die Abschlusskundgebung geplant. Dieses Ortswahl könnte sich aber aus Platzgründen noch geringfügig ändern. Das Bündnis geht von rund 10.000 Teilnehmern an der Demo aus. Ein weiterer Zug, veranstaltet vom Verein zur Förderung des Gedankenguts von Kemal Atatürk, zieht ab 14.00 Uhr von der Oper über den Ring zur Votivkirche. Dabei werden etwa 1.000 Teilnehmer erwartet. "Wir schließen nicht aus, dass an der Demo auch gewaltbereite Gruppen teilnehmen", sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger. Die Polizei hielt sich bei der Zahl der eingesetzten Beamten wie immer vor solchen Großveranstaltungen mit Zahlen zurück. Mehrere 100 Polizisten sollen es sein, die kolportierte Zahl von 2.000 sei viel zu hoch gegriffen.
Auch die Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ) ist nicht glücklich über den Besuch: Sie warnte am Mittwoch vor einem möglichen Schaden für die Integrationsbemühungen in Österreich durch die Rede Erdogans. Nach Auffassung der Initiative sei es für die Integration türkischer Migranten in Europa nicht gut, die türkische Innenpolitik zu exportieren. Mitglieder der Initiative wollen während des Erdogans-Besuchs einen "symbolischen" Hungerstreik abhalten - der dann allerdings nur einen Tag dauern dürfte. Nach Ansicht der ILMÖ würden auch Mitglieder der türkischen Community in Österreich kritisieren, dass Erdogan vor der türkischen Präsidentenwahl auf Stimmenfang nach Wien komme. Die "Stimmenfang-Kalkulation" dürfte aber nicht aufgehen, da sehr viele von den mehr als 110.000 in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen - vor allem die Kurden, Aleviten und die Säkularen - nicht pro-Erdogan eingestellt seien, so die ILMÖ.
"Krawallmacher"
Kritk hatte auch Außenminister Sebastian Kurz wiederholt geäußert. Er hält sich ein Gespräch mit Erdogan noch offen und ruft ihn zur bedächtigen Wortwahl auf, um nicht zu einer Eskalation der Emotionen Anlass zu geben und die Integration türkischstämmiger Österreicher zu belasten. Den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Wien "nehmen wir hin", meinte Kurz. Man habe aber auch das Recht zu sagen, dass "kein Wahlkampf ins Land" getragen werden solle. Zugleich nennt sein Parteikollege Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter den türkischen Premierminister einen "Krawallmacher".
"Unsere Demokratie wird das aushalten", meinte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie hoffe aber doch, dass Erdogan manche "Aussagen zu Hause lässt", so die Ministerin am Mittwoch laut einer Aussendung des Innenministeriums. "Unsere Polizei wird dafür sorgen, die Sicherheit zu gewährleisten - auch bei den zu erwartenden Gegendemonstrationen", wiederholte Mikl-Leitner bereits bekannte Positionen. Und vor allem werde die Polizei "das Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit schützen. Aber ich hoffe doch, dass er manche Aussagen zu Hause lässt. Wie etwa jene nach der letzten Kommunalwahl, als er meinte, er wolle seine Gegner 'bis in die Höhlen verfolgen'".
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