Das ist keine Überraschung. Ich erwarte es eigentlich schon seit längerer Zeit, dass man sich mit der Zeit auseinandersetzt, als ich in der Sozialistischen Jugend aktiv war. All diese Anwürfe haben zu einer Stärkung geführt, weil sie zwanzig, dreißig Jahre her sind und nur zeigen, dass man sich in anderen Parteien offenbar vor mir fürchtet.
Sie haben am Dienstag Ihr neues Team vorgestellt. Nach welchen Kriterien haben Sie es ausgesucht? Was waren die Vorgaben?
Die besten Köpfe zu finden für die Aufgaben, die wir vor uns haben. Und die sind vielfältig. Es gilt die parlamentarische Arbeit zu verstärken, breiter aufzustellen. Wir verstehen uns im Klub als Team. Wenn man erlebt, mit welcher Leidenschaft Philip Kucher Oppositionsarbeit gegen die Regierung mit einer kantigen und klaren Sprache gemacht hat, mit welcher Leidenschaft Julia Herr auftritt, und wenn man auch noch die Leidenschaft von Evi Holzleitner kennt, nicht nur in Frauenfragen, sondern generell als einer der besten politischen Köpfe, dann war die Entscheidung gar nicht anders zu treffen.
Der Kärntner Philip Kucher war also nicht bloß ein Zugeständnis an das Lager von Hans Peter Doskozil?
Ich bin da ziemlich stringent, weil ich habe mich nie in dieses Lagerdenken hineinziehen lassen. Ich war mit meiner Bewegung ein Produkt jenseits dieses Lagerdenkens. Philip Kucher ist einer der besten Köpfe, die wir haben.
Die Mitgliederbefragung und der Sonderparteitag haben aber schon zu einem Lagerdenken geführt. Wie wollen Sie das überwinden? Haben Sie Hans Peter Doskozil seit dem Parteitag getroffen?
Ich habe ein sehr gutes, ausführliches, freundschaftliches Gespräch mit ihm geführt. Er war nach dem Parteitag mit einer Situation konfrontiert, die nicht leicht war. Das muss man menschlich begreifen, und er hat Größe gezeigt. Wir haben politisch zueinander eigentlich einen guten Draht. Ich habe auch die Einbindung des Burgenlands als Landesorganisation gewährleistet.
Das Burgenland ist eingebunden. Aber er selbst wird vorerst nicht ins SPÖ-Präsidium zurückkommen?
Er hat klar kommuniziert, dass er sich jetzt um seine Aufgaben als Landeshauptmann des Burgenlands kümmert. Das steht ihm auch zu.
Kommen wir zu Ihrer Person. Sie sind Bundesparteichef, Klubvorsitzender, Bundesrat und Bürgermeister von Traiskirchen. Und Sie wollen eine Tour durch Österreich machen. Wie geht sich das aus, wenn der Tag nur 24 Stunden hat?
Wir haben unser Team jetzt so breit aufgestellt, dass das alles leicht möglich ist.
Warum ist es Ihnen so wichtig, weiter Bürgermeister von Traiskirchen zu sein?
Wir zeigen in der Stadt, mit welchem politischen Ansatz man Erfolge haben kann. Es ist für mich wichtig, direkt verankert zu sein. Wir denken Politik neu und wollen den Erfahrungsschatz aus der Kommunalpolitik auf Bundesebene umsetzen. Bei Hans Peter Doskozil hat man auch nicht gefragt, warum er noch Landeshauptmann bleiben will.
Als Sie Bundesrat geworden sind, haben Sie entschieden, das Gehalt dafür zu spenden. Ist das etwas Persönliches oder schon eine Vorgabe für weitere Parteifunktionäre?
Das ist eine persönliche Entscheidung von mir.
Wer ist der engste Kreis des Andreas Babler, der ihn berät?
Die Sozialdemokratie.
Aber die ist sehr groß?
Die ist zum Glück sehr groß, täglich auch wachsend. Wir haben Eintrittszahlen, die wir in den vergangenen Jahrzehnten noch nie gehabt haben, auch ohne Kampagne. Wir haben nach dem Parteitag in den vergangenen sechs Werktagen über 1.600 Beitritte gehabt. Vor der Mitgliederbefragung waren es 10.000 Eintritte, wobei die meisten geblieben sind. Das sind alles überraschende Zahlen.
Wie reagieren Sie, wenn der Bürgermeister von Ebenfurth oder der Innsbrucker Klubobmann sagen, dass sie wegen der neuen SPÖ-Linie die Partei verlassen?
Bei beiden wissen alle, die sie kennen – ich kenne beide seit Jahrzehnten ganz gut –, dass das nicht direkt mit meiner Person zu tun hat. Da gibt es ganz andere Geschichten. Aber wir holen auch Leute zurück, und ich rufe da auch direkt an.
Die Mitgliederbefragung war etwas Besonderes. Viele in der Partei sind der Meinung, dass es auch in Zukunft zu verschiedenen Themen Befragungen geben soll. Die Wiener SPÖ aber bremst, wie aus einem Interview herauszulesen ist.
Ich kenne die Hintergründe des Interviews mit Landesparteisekretärin Barbara Novak. Sie hat damit die Wiener Partei gemeint. Sie hat auch versichert, dass die Wiener konstruktiv mitarbeiten werden.
Eine wichtige Frage wird in Zukunft sein, mit wem die SPÖ eine Koalition eingeht. Sollten das die Mitglieder entscheiden?
Ja. Die deutsche Sozialdemokratie hat über das Koalitionsabkommen abstimmen lassen. Es ist ein Zeichen der Stärke in den Verhandlungen. Wir werden jetzt Demokratisierungsschritte vorbereiten. Die wichtigste Frage ist die des Vorsitzenden, danach folgen inhaltliche Fragen. Aber wir wollen jedenfalls eine moderne Mitmach-Partei werden.
Es gibt jetzt den Wirbel um die Insolvenz des Möbelhauses Kika/Leiner. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Während andere versuchen, politische Ablenkungsgranaten zu schießen, hat die Sozialdemokratie das Handeln aus dem Standpunktder Betroffenen abzuleiten. Wir haben mindestens 1.900 Menschen, die nun die Arbeit verlieren. Da muss man auch über das Insolvenzrecht nachdenken.
Die parteipolitische Debatte ist, dass die SPÖ die Verbindungen zwischen René Benko und Ex-Kanzler Sebastian Kurz aufgezeigt hat. Die ÖVP hat gekontert, dass der Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer noch mehr in Benkos Firma Signa involviert ist.
Die Prioritätensetzung zwischen Benko und dem System Kurz liegt auf der Hand. Wir müssen in der Republik aufpassen, dass sich die Regierung ihre Politik nicht von Milliardären wie René Benko vorgeben lässt. Was hier alles aufbricht, schockiert mich.
Aber Alfred Gusenbauer ist ein Teil dieses Systems.
Die Vernetzung zwischen Benko und System Kurz ist eindeutig, da wird Gusenbauer überbewertet. Mein Ansatz ist, dass ich eine Politik aus der Sicht der Beschäftigten heraus mache und verhindere, dass in Zukunft so etwas noch einmal passiert.
Haben Sie eigentlich noch Kontakt mit Ihrer Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner?
Klar. Der Umgang mit Pamela Rendi-Wagner hat menschlich einiges vermissen lassen. Ich pflege da einen anderen Stil. Ich habe mich auch mit ihr reflektierend unterhalten. Das sind wir uns schuldig. Wir sind Mitglieder einer Partei, aber wir sind vor allem Menschen. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, gleichgültig, welche Funktion man innehat.
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