Selenskij-Rede geschwänzt: Wolfgang Sobotka rügt die SPÖ
Nationalratspräsident kritisiert, dass Abgeordnete beim Auftritt des ukrainischen Präsidenten nicht anwesend waren. Als Demokrat müsse man Haltung zeigen.
Dass der ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Plenum per Video eine Rede gehalten hat, war für das Parlament ein ganz besonderer Moment. Danach wurde allerdings weniger über den Inhalt gesprochen als über das Fehlen von zahlreichen Abgeordneten. Die FPÖ hatte den Saal aus Protest gegen den Auftritt geschlossen verlassen, bei der SPÖ war rund die Hälfte der Mandatare nicht gekommen.
Für Nationalraspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der zu diesem Termin geladen hatte, waren die leeren Sitzplätze ein unerträglicher Anblick. "Diese Rede war für das Parlament wichtig. Als Signal, um allen wieder klarzumachen, wie schrecklich die Situation in der Ukraine wirklich ist. Das hat Präsident Selenskij sehr eindrücklich geschildert. Es war keine Allerweltsrede, die schon mehrmals gehalten worden ist, sondern eine Rede, die für Österreich sehr viel an Motivation gebracht haben sollte, die Ukraine weiter zu unterstützen", sagt der Nationalratspräsident.
Selenskij habe in seiner Rede auch nichts gefordert, was Österreich nicht erfüllen könnte. Sobotka: "Er hat sich einfach bedankt, vor allem bei der Aktion Nachbar in Not und die Situation in der Ukraine geschildert."
„Reiche SPÖ die Hand“
Die Argumentation einiger SPÖ-Abgeordneter, ihr Fernbleiben sei als Kritik an Sobotka selbst zu verstehen, ärgert den ÖVP-Politiker sehr: „Ich kann nicht beurteilen, weswegen so viele SPÖ-Abgeordnete nicht gekommen sind. Dass manche nun argumentieren, sie hätten mit mir ein Problem und das als Begründung für ihr Nichterscheinen nennen, finde ich bedauerlich. Es gibt auch Momente, wo unser Staat, unsere Republik als Ganzes, geeint auftreten sollte. Die Rede Selenskijs war so einer.“
In so einem Moment, parteipolitisch zu agieren, hält er jedenfalls für den falschen Ansatz: „Dieser Anlass hatte nichts mit Parteipolitik zu tun. Wenn man alles nur unter dem parteipolitischen Gesichtspunkt sieht, kommen wir nicht weiter.“ Er jedenfalls werde weiterhin auf die SPÖ-Vertreter zugehen und sie immer zu Veranstaltungen einladen: „Meine Hand bleibt ausgestreckt.“
"FPÖ schottet sich ab"
Dass die FPÖ ihren Protest mit Österreichs Neutralität verbunden hat, ist für Sobotka eine „vorgeschobene Ausrede“. Es sei klar, dass Russland durch den Angriff auf die Ukraine als Aggressor Völkerrecht gebrochen habe. Sobotka: „In dieser Situation, wo Völkerrecht gebrochen wird, ist es unausweichlich, dass man als Demokrat Haltung zeigen muss. Wir müssen uns den Grundrechten und dem Völkerrecht schließlich verpflichtet fühlen.“ Es sei kein Thema, dass das mit der österreichischen Neutralität vereinbar sei.
„Ich denke, dass für die FPÖ nicht die Neutralität an sich, sondern das Alleinstellungsmerkmal verlockend ist. Man möchte eine Gegenerzählung zu den anderen Meinungen im Parlament, egal bei welchem Thema. Das mag für kurzfristige Umfragen nützlich sein, auf lange Sicht schottet man sich dadurch aber mehr und mehr ab“, sagt Wolfgang Sobotka.
Für den Nationalratspräsidenten hat sich an diesem Donnerstag auch gezeigt, dass die Kraft der Mitte abnehme. Das habe auch die Demonstration gegen die Rede von Selenskij vor dem Parlament gezeigt. Sobotka: „Da haben Linke und Rechte Seite an Seite demonstriert. Auch wenn die Zahl überschaubar war, sollte uns das zu denken geben. Der breite Konsens der Mitte nimmt merklich ab und die extremen Ränder verschaffen sich mehr und mehr Aufmerksamkeit.“
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