Regierungsklausur: Kann Türkis-Grün ein Neustart gelingen?

Regierungsklausur: Kann Türkis-Grün ein Neustart gelingen?
Am 10. und 11. Jänner will die türkis-grüne Regierung darüber beraten, wie sie Österreich „stärker aus der Krise“ bringt. Zugetraut wird es ihr laut Umfragen nicht.

Mauerbach also: Was den Ort angeht, liegt die Regierungsmannschaft richtig. Hier, im Wellness- und Seminarhotel des Schlossparks, wird man – so das Versprechen – „geerdet“ und „tankt Energie“; auf dass im Job wieder alles „beflügelt“ laufen möge.

Muss die türkis-grüne Bundesregierung wirklich beflügelt werden?

Karl Nehammer und Werner Kogler würden das wohl abstreiten. Unter türkis-grünen Ministern ist das Wort „Neustart“ verpönt, man spricht bei der Regierungsklausur lieber von einem „Start ins neue Jahr“.

Das ändert freilich wenig daran, dass es zuletzt eher unrund lief. Exemplarisch sei die vor Weihnachten von der ÖVP angezogene Asyldebatte erwähnt, die die Grünen derart vergraulte, dass sie ihrem Koalitionspartner vorwarfen, „Kampfbegriffe von Rechtsextremen“ zu verwenden.

Auch die Bevölkerung scheint den Glauben an die Regierung vielfach verloren zu haben: Nur sechs Prozent der Wähler sind laut KURIER-OGM-Umfrage überzeugt, dass Türkis-Grün die beste aller Regierungsformen darstellt – keine Koalitionsvariante genießt weniger Vertrauen.

Spitz formuliert könnte man fragen: War’s das nun? Hat diese Regierung ihre politische Strahlkraft verwirkt? Oder gibt es noch eine Chance, das ramponierte Image aufzupolieren?

Schlechter Ruf

Glaubt man professionellen Beobachtern, gäbe es theoretisch durchaus Möglichkeiten für eine Trendwende. „Die Regierung ist besser als ihr Ruf“, sagt Politikforscherin Kathrin Stainer-Hämmerle zum KURIER.

Dass vieles umgesetzt wurde, sei objektiv feststellbar. Das Klimaticket etwa sei zwar fast vergessen – „aber zweifelsohne ein Erfolg“. Und bei beiden Krisen – Corona wie Teuerung – seien enorm viele hohe Förderungen beschlossen worden.

Politik-Analyst Thomas Hofer sieht das ähnlich: „Die Valorisierung der Sozialleistungen und die Abschaffung der Kalten Progression waren wirkliche Überraschungen – das haben viele Regierungen davor nicht zustande gebracht.“ Und überhaupt seien die erwähnten Krisen eine so mächtige Herausforderung, „dass ausnahmslos jede Regierung ins Schwimmen gekommen wäre“.

Aber wenn dem so ist, wieso überzeugt die türkis-grüne Regierung so wenige? Ist Dankbarkeit einfach keine politische Kategorie?

Experte Hofer erklärt die Stimmung vor allem mit einer Tatsache: „Das zentrale Narrativ der Zweiten Republik, nämlich dass es den Kindern besser gehen wird als deren Eltern, ist gebrochen. Die Österreicher plagen Absturzängste – und diesen müsste man eine kraftvolle Ansage entgegenhalten.“ Das sei aber so – noch – nicht passiert.

Stainer-Hämmerle erklärt sich das fehlende Ver- bzw. Zutrauen in die Regierung mit zwei Faktoren: Der eine sind die handwerklich sichtbaren Fehler. „Sowohl bei der Corona- als auch bei der Inflationskrise kam von der Regierung oft der Satz, man könne nicht zielgerichteter agieren, weil man zu wenige Daten habe.“ Die Bevölkerung verstand das so: Politik und Verwaltung wissen zu wenig, um zielgerichtet helfen zu können. „Dass das nicht vertrauensfördernd ist, liegt auf der Hand.“

Wenige Signale

Der zweite Aspekt hat für Stainer-Hämmerle vor allem mit dem Agieren der Kanzlerpartei zu tun: „Die ÖVP hat zu wenige Signale gesetzt, um eine glaubwürdige Abkehr vom alten Kurs zu schaffen.“

Anstatt sich scharf von den Machenschaften unter Sebastian Kurz abzugrenzen, kippe man immer wieder in die Opfer-Rolle. „Wenn zusätzlich zentrale Vorhaben in der Korruptionsbekämpfung wie die Abschaffung des Amtsgeheimnisses verschleppt werden, verfestigt sich der Eindruck, die Kanzlerpartei meint es nicht ernst mit dem neuen Stil.“

Was also tun? Für Stainer-Hämmerle hat diese Regierung vor allem eine Chance und Aufgabe: „Sie sollte die versprochenen Transparenz- und Anti-Korruptionsregeln beschließen und damit die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Nachfolge-Regierung wieder Vertrauen zurückgewinnen kann.“

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