Raus aus Russen-Gas: So sieht der Deal mit den Scheichs aus

Bevor Kanzler Karl Nehammer, Finanzminister Magnus Brunner (beide ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit der Spitze der Vereinigen Arabischen Emirate (VAE) verhandelten, war der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Abu Dhabi gewesen, um Gespräche über Energielieferungen zu führen. Er erhielt eine Schiffsladung mit Flüssiggas (ca. eine Terawattstunde) zugesagt.
Obwohl Österreich um vieles kleiner ist als der deutsche Nachbar, kann die Delegation aus Wien mit dem gleichen Ergebnis aufwarten: Eine Schiffsladung Flüssiggas (LNG) wird von der Ölgesellschaft ADNOC rechtzeitig für den Winter 2023/24 geliefert werden.
„Das ist eine gute Menge, mit der wir beginnen können“, sagte Kanzler Nehammer nach den Gesprächen, die er mit dem Präsidenten der VAE, Muhammad bin Zayid Al Nahyan, geführt hat. Mit dieser Menge können rund 65.000 Haushalte ein Jahr lang mit Gas versorgt werden. Das wären etwa alle Haushalte der Bundesländer Tirol und Vorarlberg, die derzeit ans Gasnetz angeschlossen sind. Wie viel das den Staat kosten wird, hängt vom Gaspreis im kommenden Jahr ab.
Grundsätzlich ist Österreich bei der Gasversorgung kurzfristig gut aufgestellt. Die Speicher sind mittlerweile zu fast 90 Prozent gefüllt. Als strategische Reserve stehen 8,5 TWh zur Verfügung. Nehammer: „Für diesen Winter haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, unsere Speicher sind fast voll.“ Jetzt gehe es um den darauffolgenden Winter und den kompletten Ausstieg aus dem russischen Gas. In den vergangenen Monaten wurde die Abhängigkeit bereits von 80 auf rund 50 Prozent reduziert.
Gemeinsame Strategie
Abgesehen von der Schiffsladung werden die Scheichs diesen Ausstieg auch strategisch unterstützen. In einer gemeinsamen Erklärung wurde eine Vereinbarung zwischen Österreich und den VAE getroffen. Der Inhalt: stärkere Zusammenarbeit in Energiefragen zur Sicherstellung der Energieversorgungssicherheit. Dazu zählen auch Erneuerbare Energien, wie Leonore Gewessler betonte. Sie war dazu bei einem Extratreffen, bei dem über grünen Wasserstoff als Zukunftsperspektive gesprochen wurde.
Gewessler: „Heute haben wir die nächsten Schritte gesetzt. Mit der Lieferung von LNG für das Wiederauffüllen der Speicher und mit einer verstärkten Kooperation beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Beides schützt die Unabhängigkeit unserer Energieversorgung.“
Entscheidend war bei den Gesprächen aber auch, dass die VAE beim Bestreben der OMV mitziehen, das Gas künftig von anderen Lieferanten zu erwerben. Immerhin hält die staatliche Aktiengesellschaft Mubadala mit Sitz in Abu Dhabi 24,9 Prozent an der OMV und ist damit ein entscheidender Faktor. Diese wird nun mit der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), die 31,5 Prozent hält, enger zusammenarbeiten. Da geht es um das Vorantreiben gegenseitiger Investitionen und die Suche nach noch mehr Synergien sowie das Unterstützen der Anti-Russland-Strategie. Sprich: Die OMV hat die Rückendeckung dieser Aktionäre, wenn es um das Diversifizieren geht, damit man künftig nicht mehr nur von einem Lieferanten abhängig ist.
Deswegen waren auch von der ÖBAG Aufsichtsratsvorsitzender Günther Ofner und Vorstandsvorsitzende Edith Hlawati sowie OMV-Vorstandsvorsitzender Alfred Stern nach Abu Dhabi gekommen. Wobei OMV-Chef Stern in Abu Dhabi verkündete, dass die OMV schon derzeit in der Lage sei, ihre Kunden zu 100 Prozent mit Gas zu versorgen, das nicht aus Russland kommt.
Für Finanzminister Brunner stärkt die vertiefte Zusammenarbeit Österreichs Position: „Wir wollen in Zukunft durch neue strategische Partner diversifizierter sein. Das stärkt die Versorgungssicherheit und unsere Position auf den internationalen Finanzmärkten.“
Russland-Gespräche
Abseits der Energie-Vereinbarung sprachen dann nur Kanzler Nehammer und der Präsident der VAE über den Ukrainekrieg. Präsident Muhammad bin Zayid Al Nahyan hatte erst vor 14 Tagen den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Nehammer: „Die Perspektiven, die geschildert worden sind, sehen eher düster aus.“ Derzeit deute alles auf weitere Eskalationen hin, es gebe keine Spur einer Möglichkeit für Friedensgespräche.
In diesem Vier-Augen-Gespräch wurde auch vereinbart, dass die Geheimdienste der beiden Staaten im Kampf gegen radikalen Islamismus nun enger zusammenarbeiten werden.
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