Profiheer: "Einstieg in Neutralitäts-Ausstieg"
Die Debatte über die Zukunft des Bundesheeres wirft erneut die Frage nach der Neutralität auf. Für Wiens Bürgermeister Michael Häupl sei die Neutralität kein Dogma mehr, titelt die Wiener Zeitung (Dienstag-Ausgabe). Der mächtige SPÖ-Politiker schränkt aber ein: "Solange es keine gemeinsame militärische Verteidigung in Europa gibt, muss man jedenfalls die Neutralität nicht infrage stellen."
Der Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen Parlament, Jörg Leichtfried, geht davon aus, dass bei der nächsten EU-Vertragsänderung, die Deutschland derzeit vehement anstrebt, "Österreichs Rest-Neutralität zur Disposition steht". Der neue EU-Vertrag, der die Politische Union, die Fiskalunion und eine Verteidigungsunion umfassen dürfte, würde das Ende der Neutralität bedeuten, betont Leichtfried. Das Vertragswerk müsste dann auf jeden Fall einer Volksabstimmung unterzogen werden. "Machen wir da mit, oder schauen wir von außen zu", dürfte salopp die Fragestellung lauten.
Breiter Konsens
Keinen Bedarf, die Neutralität abzuschaffen, sieht die außenpolitische und Europa-Sprecherin der SPÖ, Elisabeth Muttonen. "Die aktive Neutralität hat einen breiten Konsens in der Bevölkerung."
Auch im Büro von Verteidigungsminister Norbert Darabos hält man an der Neutralität fest. "Der Status der Neutralität hat nichts mit dem Wehrsystem zu tun", heißt es im Kabinett des Ministers. Irland sei neutral und Schweden allianzfrei, beide Länder hätten Berufsarmeen, wird argumentiert.
Im Bundeskanzleramt sieht man derzeit keine Notwendigkeit für eine Neutralitätsdebatte. "Die Neutralität ist nicht Gegenstand der Volksbefragung. Jetzt geht es um eine Abstimmung über Berufsheer oder Wehrpflicht", heißt es zum KURIER. Sollte sich die SPÖ mit ihrer Forderung nach einem Profi-Heer durchsetzen, wäre das laut Faymann-Büro auch nicht automatisch ein "Schritt Richtung NATO".
Reinhold Lopatka, außenpolitischer Sprecher der ÖVP im Parlament und Außenministeriums-Staatssekretär in spe, sieht das anders: "Mit dem Berufsheer wird der Einstieg für den Ausstieg aus der Neutralität geschaffen. Wehrpflicht und Neutralität waren immer ein Zwillingspaar", sagt Lopatka zum KURIER. "Der nächste Schritt ist dann natürlich die NATO. Ein Berufsheer ist viel einfacher an die NATO anzupassen."
Neutralitätslüge
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), verlangt in der aktuellen Bundesheer-Diskussion sehr wohl eine Debatte über die Neutralität. Man müsse "mit der Neutralitätslüge aufräumen. Die Neutralität ist kein sicherheitspolitisches Instrument des 21. Jahrhunderts und gibt keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft." Karas fordert eine öffentliche Auseinandersetzung und Klärung, was Österreich als EU-Mitglied leisten müsse, was man finanziell leisten könne, und erst dann Konsequenzen zu ziehen. Der höchste Politiker Österreichs in der EU plädiert für "eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik". Rund 200 Milliarden Euro geben die EU-Staaten jährlich für Verteidigung aus, gemeinsam wäre es billiger und effizienter, rechnet Karas vor.
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