Rot-Schwarz im Abwehrkampf
Das erste Halbjahr 2014 wird eine nahtlose Fortsetzung des Vorjahres: ein Abwehrkampf von Rot-Schwarz, um die Mehrheit in Österreich zu behalten.
Bei der Nationalratswahl im vergangenen September haben SPÖ und ÖVP noch einmal hauchdünn mit gemeinsamen 50,8 Prozent ihre Vorherrschaft verteidigt. Gut möglich, dass die beiden Traditionsparteien bei der EU-Wahl erstmals weniger als die Hälfte der Stimmen bekommen. Das letzte Mal, 2009, bekamen sie 54 Prozent.
Die Ergebnisse der EU-Wahl am 25. Mai haben auf die reale Politik wenig Wirkung, sind jedoch für Politik-Feinspitze durchaus spannend. Die EU-Wahl könnte zum Indikator für die künftige Entwicklung der politischen Landschaft werden. Das Spektrum der Einschätzungen reicht von den Pessimisten, die die rechtspopulistische, anti-europäische FPÖ schon als stärkste Partei sehen. Bis zu den Optimisten, die perspektivisch eine Koalitionsalternative ohne FPÖ heranwachsen sehen. Tatsächlich ist mit SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos das Angebot an pro-europäischen, konstruktiven Parteien ein beachtliches.
Prophezeien lässt sich: Sollten SPÖ und ÖVP bei den EU-wahlen abstürzen, wird es dennoch keine Neuwahlen geben. Sie werden nicht riskieren, dass sich ein Absturz bei Neuwahlen wiederholen könnte, sind außerdem verschuldet und haben kein Geld für einen Wahlkampf.
Möglich sind hingegen interne Turbulenzen im Fall, dass es eine der beiden Parteien arg zerzaust. ÖVP-intern gilt als Messlatte das Nationalratswahlergebnis von 24 Prozent. „Wenn die ÖVP so tief fällt, wird es intern losgehen“, glaubt ein Spitzenmann. Interne Kritiker hat sich ÖVP-Chef Spindelegger mit dem schwachen Koalitionspakt und seiner Vorgangsweise bei der Minister-Bestellung in reichlicher Anzahl geschaffen. Von der Steiermark über Tirol und sogar bis hinein nach Niederösterreich, Spindeleggers Heimatbasis, wird Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bereits als „kommender Mann“ gehandelt.
Doch die Chancen der ÖVP bei der EU-Wahl sind gut. Sie hat mit 30 Prozent (Grafik) einen großen Polster, liegt in allen Umfragen auf Platz 1 und hat mit Othmar Karas den profiliertesten Europa-Politiker aller Parteien als Spitzenkandidaten (nachdem Hannes Swoboda, SPÖ, in Pension geht).
Für die SPÖ gilt es, zwei symbolische Hürden zu schaffen: Erstens, vor der FPÖ zu bleiben. Zweitens‚ nicht erstmals bei einer Bundeswahl einen Einser vor dem Ergebnis zu kassieren.
Konkret: Ein Ergebnis von 19 % SPÖ, 20 % FPÖ müsste die SPÖ-Führung ihrer Basis wohl etwas ausführlicher erklären. Zuletzt hat Franz Voves in der SPÖ an Ansehen eingebüßt, weil die Steiermark bei der Nationalratswahl blau gefärbt und die SPÖ hinter die FPÖ abgerutscht war. Besonders die Wiener SPÖ, die 2015 gegen HC Strache Gemeinderatswahlen zu schlagen hat, beißt intern auf Voves hin. Man kann sich ausmalen, welche Freude die Wiener hätten, wenn die Bundespartei Strache den Triumph verschafft, erstmals bundesweit stärker als die SPÖ zu sein. Faymann weiß, wie heikel die Lage ist. Er sucht entsprechend intensiv nach einer attraktiven Spitzenperson und schwört landauf, landab die SPÖ-Funktionäre darauf ein, bei der EU-Wahl zu rennen.
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