Patientenanwältin: "Stillstand in der Gesundheitsversorgung"

Nicht nur für Landgemeinden wird es schwieriger, Ärzte-Stellen zu besetzen
Ausgaben für Wahlärzte steigen ständig. Warnung vor "Aushöhlung des solidarischen Gesundheitswesens".

Regionen, in denen in manchen Fächern kein Kassenarzt gefunden werden kann; Patienten, die nur einen Bruchteil ihrer Auslagen für einen Wahlarzt zurückbekommen: Patientenanwältin Sigrid Pilz fand im Ö1-Morgenjournal deutliche Worte für die praktischen Folgen des „Stillstands in der zersplitterten Gesundheitsversorgung“.

Anlass für das erneute Hochkochen der Debatte um die Primärversorgung war die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Neos-Gesundheitssprechers Gerald Loacker. Dieser zufolge sind die Ausgaben der Kassen für Wahlarztleistungen zwischen 2010 und 2017 um knapp die Hälfte gestiegen, in Wien gab es sogar ein Plus von knapp 90 Prozent.

Zu wenige Kassenverträge

Nachdem die Inflation über diesen Zeitraum nur 14 Prozent betrug, liegt das Problem für Loacker eindeutig an der zu geringen Anzahl an Ärzten mit Kassenvertrag. Patientenanwältin Pilz stimmt dem zu und berichtet von Patienten, die sich bei ihr melden und „schockiert sind, weil sie keinen Kinderarzt mit Kassenvertrag finden oder weil sie merken, dass die Rückerstattung ja nur ein Bruchteil dessen ist, was sie bezahlt haben“.

Die Kassen refundieren 80 Prozent des Tarifs, den sie einem Vertragsarzt für dieselbe Leistung bezahlen würden; das wären laut Pilz manchmal gerade einmal 20 Prozent der tatsächlichen Kosten für einen Wahlarzt. Sie sieht in solchen Fällen „die Gefahr der Aushöhlung des solidarischen Gesundheitswesens“.

Schuld an der mangelnden Versorgung mit Kassenärzten sei die „zersplitterte Gesundheitsversorgung“, in der sich die Partner gegenseitig blockieren und statt an die Versorgung in erster Linie an Status und Strukturen denken würden.

In Primärversorgung "schlecht aufgestellt"

Was nun getan werden müsse, sei einerseits eine Aufstockung der Kassenstellen in Mangelfächern wie etwa der Kinderpsychiatrie, andererseits müsse die Primärversorgung außerhalb der Spitäler gefördert werden. In diesem Bereich sei Österreich „sowieso schlecht aufgestellt“.

Vor allem müsse ein Kassenvertrag für einen Arzt wieder etwas Erstrebenswertes sein. Sprich: Wenig Bürokratie, ein klarer Versorgungsauftrag, entsprechende Bezahlung und die Möglichkeit, das alles in Gruppenpraxen und Primärversorgungszentren umzusetzen. Denn, so Pilz: „Die Jungen wollen nicht mehr alleine arbeiten und sich dann auch noch die ganze Bürokratie zumuten.“

 

 

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