Anti-Terror-Kampf: Streit um Polizei-Aufrüstung

Terrorübung
Mikl-Leitner will Hubschrauber und Panzer-Fahrzeuge für Polizei. Irritationen im Heeresressort, Kritik von Grünen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will die Exekutive anlässlich der Terror-Bedrohung aufrüsten. Es werde derzeit "auf Hochdruck" ein Maßnahmen-Paket vorbereitet, kündigte die Ressortchefin am Montag an. Unter anderem seien "schwer gepanzerte Fahrzeuge und größere Polizei-Hubschrauber für acht Personen für den schnellen Ortswechsel sowie ein verbesserter Digitalfunk zum Schutz der Einsatzkräfte" vonnöten, sagte die ÖVP-Ministerin, die einen "dreistelligen Millionenbetrag" dafür ausgeben will, dem KURIER. Die genaue Summe konnte sie nicht nennen: "Alle Ressorts müssen dafür zusammenstehen. Verhandelt werde auch mit dem Finanzminister. Bundeskanzler Werner Faymann habe sich aber dazu bekannt, dass Geld für mehr Ausrüstung vorhanden sein müsse.

Im Kanzler-Büro waren am Montag auf KURIER-Anfrage noch keine Details über die "Sicherheitsoffensive" von Mikl-Leitner bekannt: "Wir warten auf einen schlüssigen Plan von der Innenministerin, was den Bedarf angeht."

Irritationen im Verteidigungsministerium

Im Kabinett von Verteidigungsminister Gerald Klug ist man ob Mikl-Leitners Ankündigung irritiert. Ein Sprecher sagte zum KURIER, Hubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge stünden bereits im Verteidigungsressort zur Verfügung. Das Heer stehe für die entsprechenden Assistenzleistungen zur Verfügung. "Wir sind jederzeit bereit, diese beizusteuern", heißt es im Büro Klug. Die Regierung habe zudem erst vor Weihnachten beschlossen, die Black-Hawk-Hubschrauber um 80 Millionen Euro aufzurüsten sowie Nachfolger für die Hubschrauber Alouette III und Bell OH-58 zu ordern.

Mikl-Leitner hatte damals erklärt, das Bundesheer sei "die wichtigste Versicherungspolizze der Republik". Die Bundesheer-Hubschrauber seien für Polizeieinsätze aber nicht brauchbar und die vorhandenen Polizei-Hubschrauber seien zu klein, sagte die Ministerin am Montag.

Gert René Polli, der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), kann das nicht nachvollziehen: "Im Verteidigungsministerium gibt es Gerätschaften zur Terrorismusbekämpfung ähnlich wie im Innenministerium." Ressourcen beider Ressorts sollten "anlassbezogen zusammengezogen werden". Zwischen Verteidigungs- und Innenressort sei "eine Vielzahl von Synergien" im Anti-Terror-Kampf "möglich", sagt Polli, der selbst viele Jahre im Heeresnachrichtenamt tätig war.

Da gibt es freilich rechtliche Hürden. Die strikte Trennung zwischen Polizei und Heer ist historisch gewachsen. Der Sicherheitsunternehmer meint dennoch, dass es "ein Gebot der Stunde" sei, das Know-how auf beiden Seiten in Zeiten von Terrorbedrohungen und knapper Budgets stärker zu nutzen.

"Eine Illusion"

Ganz grundsätzlich sagt der Experte zu Mikl-Leitners Vorstoß: "Es ist eine Illusion zu glauben, dass man Terroranschläge verhindern kann, wenn man gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber beschafft. Sollten Gerätschaften veraltet sein und aufgerüstet oder ersetzt werden müssen, hat das nicht unmittelbar mit Terrorismusbekämpfung zu tun."

Terrorbekämpfung bedeute primär, Anschläge zu verhindern. Nötig seien daher "mehr Befugnisse und Ressourcen für jene in der Exekutive, die für die Terrorismus-Prävention zuständig" seien. Die Polizei müsse etwa "nicht breitflächig" auf Vorratsdaten zugreifen können, aber Staatsschützer müssten "wesentlich früher und in einer höheren Qualität Informationen bekommen, um rechtzeitig eingreifen zu können".

Kritik von den Grünen

Die Grünen lehnen die Forderung der Innenministerin nach Aufrüstung der Polizei ab: Sicherheitssprecher Peter Pilz spricht von einer "Privatarmee" und hält die Unterstützung der Polizei durch das Heer (Assistenzeinsatz) für ausreichend. Aus Sicht der Grünen würden 16 gepanzerte Fahrzeuge sowie drei Blackhawk-Hubschrauber gut 76 Mio. Euro kosten. "Mir wäre es lieber, man würde das Geld in Integration investieren und nicht in gepanzerte Fahrzeuge", sagte Parteichefin Eva Glawischnig bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Pilz sieht Mikl-Leitners Forderung nach Aufrüstung der Polizei als Proporzspiel: Weil das "rote" Bundesheer Geld für Investitionen erhalte, müsse nun auch die "schwarze" Polizei zum Zug kommen, kritisierte er.

Glawischnig forderte zur Terrorprävention ein "sehr breites" Maßnahmenpaket zur Integration muslimischer Jugendlicher sowie Spezialausrüstung für die Exekutive. Was es nicht brauche, sei aber eine eigene "Panzerwaffe" (Pilz) im Innenministerium und "anlasslose Massenüberwachung" (Stichwort: Vorratsdatenspeicherung). Denn auch die weitreichenden Möglichkeiten der französischen Behörden in Sachen Terrorbekämpfung und Überwachung hätten die "grauenvollen Ereignisse" von Paris nicht verhindern können, betonte die Grünen-Chefin.

Außerdem fordern die Grünen den Ausstieg Österreichs aus dem maßgeblich von Saudi Arabien finanzierten "König Abdullah"-Dialogzentrum und dessen Schließung. "Wo kein Dialog möglich ist, soll kein Dialog vorgetäuscht werden", betonte Pilz.

"Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist eine Verschlechterung der Sicherheitslage zu erwarten", steht in der "Sicherheitspolitischen Jahresvorausschau 2015" des Verteidigungsministeriums. Die umfassende, kritische Analyse (siehe unten), die heute, Dienstag, in Wien vorgestellt wird, ist unter Federführung von Brigadier Johann Frank, Direktor für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, unter Beteiligung international renommierter Experten erarbeitet worden.

Besonders aktuell ist angesichts der Anschläge in Paris die Entwicklung des internationalen Terrorismus. "Wir gehen davon aus, dass nicht-konventionelle Risiken für Europa und auch für Österreich weiter zunehmen", betont Brigadier Frank.

Die Bedrohung, die von Dschihadisten ausgehe, sei bei weitem noch nicht gebannt. "Der Euro-Dschihad verfolgt das politisch-strategische Ziel, die europäischen Gesellschaften zu spalten und weiter radikale Kämpfer anzuziehen. Diese Konfrontation wird sowohl in Europa als auch im Nahen Osten ausgetragen werden", betont Militärexperte Frank.

Die Gefahr, dass es "zu einer weiteren Radikalisierung eines kleinen Prozentsatzes von Österreichern oder von in Österreich lebenden Ausländern kommt", sei konkret. Die Wahrscheinlichkeit eines groß angelegten Terroranschlags sei derzeit aber "gering". Ein derartiges Ereignis würde allerdings "die Kapazitäten der österreichischen Sicherheitskräfte (Polizei) vermutlich überfordern".

Die Analyse der Trendszenarien 2015 behandelt auch den Komplex der Cyber-Kriminalität. Die Kernaussage: "Die Gefahr des Extremismus in allen Bereichen der Gesellschaft, so auch im Cyber-Bereich, wächst."

Der Bericht zeigt auch auf, dass "die Zentrifugalkräfte innerhalb der EU wachsen" (Stichwort: Grexit, Brexit und Re-Nationalisierung), sagt Frank.

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