Österreich in Straßburg wegen Causa "Landplage" verurteilt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte nach Klage eines Holocaust-Überlebenden wegen fehlenden Schutzes nach diffamierenden Behauptungen in der "Aula".

Update: Holocaust-Überlebender zeigt sich mit dem Urteil zufrieden

Österreich ist am Donnerstag nach einer Klage des Holocaust-Überlebenden Aba Lewit vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden. Lewit beschwerte sich vor dem EGMR, dass die österreichischen Gerichte es unterlassen hätten, seinen Ruf gegen diffamierende Behauptungen in der rechtsgerichteten Zeitschrift "Aula" zu schützen.

Die Straßburger Richter sehen in ihrem Urteil eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, konkret von Artikel 8, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Republik muss Lewit 648,48 Euro an materiellem Schadenersatz, 5.000 Euro an immateriellem Schadensersatz und 6.832,85 Euro an Prozesskosten zahlen, dazu kommen noch Erstattungen für Steuern und Zinsen.

Lewit ist österreichischer Staatsbürger, er wurde 1923 geboren und lebt in Wien. Er ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden.

"Landplage"-Artikel

Im Sommer 2015 war in der "Aula" ein Artikel veröffentlicht worden, in dem Mauthausen-Befreite als "Massenmörder", "Kriminelle" und "Landplage" bezeichnet wurden. Daraufhin wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Autor des Artikels geführt, welches jedoch in Folge eingestellt wurde. Im Februar 2016 berichtete derselbe Autor in der "Aula" über die Einstellung des Strafverfahrens und wiederholte die fraglichen Aussagen nach Angaben des Straßburger Gerichts wortwörtlich. Daraufhin brachte Herr Lewit gemeinsam mit neun anderen Überlebenden, die alle in Konzentrationslagern inhaftiert waren und 1945 befreit wurden, einen Antrag unter dem Mediengesetz betreffend diesen Artikel gegen die Zeitschrift sowie den Autor ein.

Die Holocaust-Überlebenden klagten wegen übler Nachrede und Beleidigung durch die Publikation, auch wenn sie nicht namentlich genannt worden waren. Das Landesgericht für Strafsachen Graz wies den Antrag mit der Begründung ab, dass das Kollektiv der Mauthausen-Befreiten, das 1945 bis zu 20.000 Personen umfasste, zu groß sei, als dass jedes einzelne Mitglied durch die inkriminierten Aussagen persönlich erkennbar wäre. Darüber hinaus enthalte der Artikel keine vom Erstartikel aus 2015 separaten, ehrenbeleidigenden Aussagen.

Nur noch wenige Überlebende

In ihrer Berufung brachten die Kläger vor, dass sie sehr wohl persönlich erkennbar gewesen seien, weil erstens das Kollektiv der Mauthausen-Befreiten inzwischen lediglich noch aus jenen wenigen Überlebenden bestehe, und sie zweitens der breiten Öffentlichkeit durch ihren Aktivismus bekannt seien. Das Oberlandesgericht Graz wies die Berufung jedoch ab.

Kläger ist zufrieden

Aba Lewit ist mit der Verurteilung des Staates Österreich zufrieden. Das teilte der Holocaust-Überlebende der APA in einem schriftlichen Statement über seine Anwältin Maria Windhager am Freitag mit. Die ihm zugesprochene Schadenersatzsumme wolle er an vier Jüdische Schulen spenden.

Das Verfahren habe Lewit "im Namen der Zigtausenden Menschen, die heute nicht mehr am Leben sind" angestrengt. "Wir alle wurden als Verbrecher verleumdet. Die Toten können sich aber nicht mehr wehren", ließ Lewit über seine Anwältin  ausrichten.

Den durch den EGMR zugesprochenen Schadenersatz wolle Lewit auf insgesamt 6.000 Euro aufstocken, um je 1.500 Euro an vier jüdische Schulen in Wien zu spenden: Die Zwi Perez Chajes Schule, die Lauder Chabad Schule und die Talmud Thora Schulen der Machsike Hadas und von Agudas Israel.

Unterstützung durch Grüne

Windhager zeigte sich bereits kurz nach dem Urteil erfreut und "unendlich erleichtert, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sehr rasch ein Urteil gefällt und Österreich in dieser wirklich unrühmlichen Angelegenheit einstimmig verurteilt hat". Sie wies darauf hin, dass dem Beschwerdeführer auch eine Entschädigung für den immateriellen Schaden zuerkannt wurde. "Der straf- und medienrechtliche Schutz hat in dieser Angelegenheit ja von Anfang an schon mit der Einstellungsbegründung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Graz komplett versagt", sagte Windhager. Auch die Begründungen für die Verweigerung des Rechtsschutzes im medienrechtlichen Verfahren seien nicht akzeptabel gewesen.

Windhager kündigte an, einen Erneuerungsantrag einzubringen. "Das Verfahren wäre ohne den beherzten Beschwerdeführer Aba Lewit, der stellvertretend für die anderen im Medienverfahren Betroffenen die Beschwerde auf sich genommen hat, und die organisatorische und finanzielle Unterstützung der Grünen nicht möglich gewesen", sagte sie.

LINK: Hier gibt es das gesamte Urteil (auf Englisch) zum Download

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