Nationalrat beschließt nächstes Paket gegen Teuerung

SPÖ-Abgeordnete protestieren mit Schildern bei der Sondersitzung des Nationalrates
SPÖ und FPÖ schießen sich auf Abwesenheit Nehammers ein und rechnen mit Regierung ab.

Die Sitzung begann mit einem Antrag von FP-Chef Herbert Kickl auf Herbeischaffung des - beim EU-Gipfel in Brüssel weilenden - Bundeskanzlers Karl Nehammer. Die Sitzung möge unterbrochen werden, bis Nehammer seiner Aufgabe als Kanzler nachkomme. Kickl bezeichnete Nehammer als Brüsseler "Edelkomparsen" und "teuersten Flüchtling der Republik" - Letzteres bezogen darauf, dass sich Nehammer neuerlich von Staatssekretärin Plakolm vertreten ließ.

Man habe gewusst, dass der Termin der Sitzung mit jenem des EU-Gipfels kollidiere. Zudem würden in Brüssel Beschlüsse getroffen, die jene Teuerung weiter befeuerten, welche die aktuelle Sitzung bekämpfen wolle. Für die Wortwahl erteilte NR-Präsident Wolfgang Sobotka Kickl einen Ordnungsruf.

VP-Klubobmann August Wöginger zeigte sich ob der Wortwahl Kickls ebenfalls empört. Es sei die Pflicht Nehammers, Österreich beim EU-Gipfel zu vertreten. "Lassen S' den Bundeskanzler in Ruh', der macht die Arbeit für die Menschen in Österreich!"

SP-Vizeklubchef Jörg Leichtfried meinte ebenfalls - im Tonfall deutlich moderater als Kickl -, dass es angemessen wäre, wenn der Bundeskanzler anwesend wäre. Ein Bundeskanzler, der vor dem Parlament flüchte, sei nicht in Ordnung.

Sein Neos-Pendant, Nikolaus Scherak, plädierte für Sachlichkeit und pflichtete Wöginger bei, dass es Nehammers Pflicht sei, in Brüssel zu sein. Man habe die Sitzung gemeinsam beschlossen, also solle man sie entsprechend abhalten.

SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner meinte hingegen, die Abwesenheit Nehammers zeige, dass diesen die Sorgen der Menschen bezüglich Lebenshaltungskosten "einfach nicht kümmern". Rendi zitierte Stimmen aus der Bevölkerung (von einer Straßenbefragung), die suggerierten, dass sie sich von dieser Regierung generell und von dem Antiteuerungspaket nichts erwarteten.

Immer wieder begann Rendi ihre Sätze mit "Wenn der Kanzler heute da wäre ...". Diese Regierung sei selbst zum Krisenfall geworden. Sie wiederholte die bereits von den SP-Abgeordneten Jan Krainer und Leichtfried in den letzten Tagen geäußerte Kritik, dass keine einzige Maßnahme des Pakets die Preise senken würde. "Halbherzige Symptombekämpfung" sei das.

Ebenso wiederholte sie die Kritik, dass Spitzenverdiener unverhältnismäßig von den Regierungsmaßnahmen profitieren würden. Dem stellte sie das Antiteuerungspaket ihrer Partei vor, welches "Mut" zeige und Wirkung hätte.

"Wissen Sie, was wirklich skandalös ist: dass Sie keine dieser Maßnahmen mittragen", konterte Wöginger. Die Senkung der Mehrwertsteuer, welche die SPÖ fordert, würde auch für die Reichen die Lebensmittel verbilligen - falls sie überhaupt an die Kunden weitergegeben würde, so der VP-Klubchef. Auch die Senkung der Mineralölsteuer in Deutschland sei nicht bei den Menschen angekommen. "Wir geben den Menschen das Geld zurück", verteidigte Wöginger die Regierungslinie.

FP-Chef Herbert Kickl brachte die Ukraine-Thematik ins Spiel. Man hätte sich überlegen müssen, ob man gemeinsam mit der EU die "Eskalationsspirale" weiterdrehen wolle. Aufgabe der Regierung sei schließlich, die Interessen der Bevölkerung wahrzunehmen, nicht, die Ukraine in die EU hereinzuholen.

"Die Österreicher sind Opfer Ihrer Scheinmoral", so Kickl an die Regierungsfraktionen gerichtet. Und zwar deshalb, weil es kein unproblematisches Land gebe, von dem man Öl und Gas beziehen könne.

Der einzige Auftrag des Kanzlers in Brüssel wäre es, Stopp zur selbstzerstörerischen Sanktionspolitik der EU zu sagen.

Auch Kickl kritisierte, dass es keine Preissenkungen bzw. Preisdeckel gebe. Auch würden die Maßnahmen viel zu spät greifen - die erste (Zuschlag zur Familienbeihilfe) im August. Und die Abschaffung der Kalten Progression sei überhaupt erst für nächstes Jahr geplant - wenn sie denn überhaupt komme.

Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer kritisierte frühere Regierungen, welche Österreich in die Abhängigkeit von Russland geführt hätten. Jetzt gelte: "Wir müssen raus aus Öl und Gas!" Die FPÖ sei auf Putins Schoß gesessen - und habe sich damit für einschlägige Wortmeldungen zu Russland/Ukraine disqualifiziert.

In Richtung SPÖ merkte sie an, dass eine Mehrwertsteuersenkung genau jene "Gießkannenpolitik" wäre, welche die SPÖ den Regierungsmaßnahmen unterstelle. Auch hätten es rot geführte Regierungen nicht geschafft, die Valorisierung von Sozialleistungen umzusetzen.

Nikolaus Scherak nannte als wichtigste Maßnahme zur Inflationsbekämpfung die Abschaffung der Kalten Progression. Ebenso sei eine "ordentliche Senkung der Lohnnebenkosten" erforderlich. Mitarbeiter verdienten zu wenig und kosteten zu viel. Überdies bräuchte es für die Ärmsten schnelle Unterstützung.

Neuerlich kritisierte Scherak allerdings, dass die Abschaffung der Kalten Progression nur partiell (zu zwei Drittel) erfolge. Wenn er dem Finanzminister 100 Euro aus der Tasche ziehe und dann 67 Euro zurückgebe, die restlichen 33 aber auf alle hier im Saal verteile, würde der Betroffene wohl protestieren ... Auch dass die Abschaffung nicht rückwirkend erfolge, sei ein großer Fehler.

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