„Maßgebliche Schwächung“ des Sozialsystems

„Maßgebliche Schwächung“ des Sozialsystems
Kassenreform: Hauptverband sieht massiven Mittelentzug und rechnet fix mit einer Verfassungsklage.

Die türkis-blaue Kassenreform nimmt konkrete Züge an, bis Ende der Woche läuft noch die Begutachtungsfrist.

Während aus den Ländern je nach parteipolitischer Ausrichtung Kritik oder Lob kommt, steht für den Hauptverband der Sozialversicherungsträger fest: Die Reform führe zu einer „maßgeblichen Schwächung des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit“. Und: „Die vorgesehene übermäßige Staatsaufsicht ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Selbstverwaltung.“ So steht es in der druckfrischen, rund 60-seitigen Stellungnahme des Hauptverbandes, der fix mit Klagen beim Verfassungsgerichtshof rechnet.

„Alle Veränderungen müssen am Nutzen für die Versicherten gemessen werden“, mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde dies „nicht erreicht“, hieß es am Dienstag bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten. Argumentiert wird die vernichtende Kritik der bisherigen Dachorganisation mit Blick auf die einzelnen Bausteine der Kassenfusion:

- Sparstift Dem öffentlichen Gesundheitssystem werden bis 2023 durch diverse Einzelmaßnahmen 1,1 Milliarden Euro an Mitteln entzogen. Enthalten sind hier beispielsweise auch die Sparmaßnahmen bei der AUVA, der Allgemeinen Unfallversicherung. Der Hauptverband besteht darauf, dass die Summe „penibelst berechnet“ und nicht etwa grob geschätzt worden wäre.

- Finanz Besonders scharf wird auch die künftige Beitragsprüfung durch die Finanz kritisiert. Das widerspreche klar dem Prinzip der Selbstverwaltung durch die Versicherten, komme einer „Verstaatlichung“ der Beitragskontrolle gleich und führe letztlich mit Sicherheit zu „mehr Bürokratie und weniger Einnahmen“.

- Hauptverband„Entschieden abgelehnt“ wird auch die Zerschlagung des Hauptverbandes sowie das vorgesehene neue Rotationsprinzip in der Führungsetage der geplanten Österreichischen Gesundheitskassa (ÖGK) sowie der Pensionsversicherung (PVA). Das führe zu sieben verschiedenen Vorsitzenden in einer fünfjährigen Funktionsperiode. Kein Betrieb sei so ordentlich zu führen, sagt ein Hauptverband-Insider.

- Aufsicht Die „Ausweitung der Aufsichtsbefugnisse“ durch Gesundheits- und Finanzministerium sei völlig überschießend, zudem verfassungsrechtlich bedenklich und führe in der Praxis zu einer „Schattengeschäftsführung“ durch die Politik. Zentrale Vertragsangelegenheiten bis hin zu den Dienstpostenplänen werden auf diese Weise genehmigungspflichtig, sprich in Wahrheit von der Politik abhängig.

- Sozialpartner Zu den diversen „verfassungsrechtlichen Bedenken“ zählt der Hauptverband auch das Hinausdrängen der Arbeitnehmer aus den Entscheidungsgremien. In Hinkunft soll ja zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Stimmengleichheit herrschen, obwohl die Beiträge mehrheitlich von den Dienstnehmern stammen.

Dass nach der heftigen Kritik des Hauptverbandes ein Umdenken in der Bundesregierung einsetzt, darf bezweifelt werden. Ein „Nachdenken“ bei einzelnen Details soll es aber geben.

Michael bachner

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