TV-Talk: Kurz als "gebranntes Kind“, Kickl auf Angriffskurs

Kickl beobachtet den unmittelbar vor ihm auftretenden Kurz
Ex-Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sind um Distanzierung bemüht: Der eine vom Schreddern, der andere von Ibiza.

Manchmal kann ein Aufenthalt fernab der Heimat wohltuend sein. Etwa, wenn zu Hause eine Schredder-Affäre wartet. So wie auf Sebastian Kurz, der – zurück vom USA-Trip bei Apple und Co.  – gestern erstmals seit den Enthüllungen Stellung bezog.

Auf ServusTV stellte sich der Ex-Kanzler einem einstündigen Interview. Und fühlte sich dabei sichtlich unwohl. In Sachen Schredder-Affäre gab sich Kurz – der wohl lieber abendfüllend über die USA gesprochen hätte – als Leidtragender: Die Schuld liege bei jenem ÖVP-Mitarbeiter, der die Festplatten unter falschem Namen schreddern ließ. Dieser habe „nicht korrekt gehandelt“, „Mist gebaut“ und „geschlampt“, das wurde er nicht müde zu betonen. Und: Hätte der Mitarbeiter mit Kurz gesprochen, hätte er diesen „natürlich“ davon abgehalten.

Schredder-Affäre: Mitarbeiter "übervorsichtig"

Dass sein Mitarbeiter – im Wissen seiner Vorgesetzten – überhaupt zum Schreddern ausrückte, dafür versuchte Kurz dem politischen Gegner die Verantwortung zuzuspielen: Seine Mitstreiter seien „gebrannte Kinder“. Der Ursprung liege im Wahlkampf 2017, in dem er sich mit entwendeten Wahlkampfpapieren und Schmutzkübelkampagnen konfrontiert gesehen habe. „Man kann uns unsere Erlebnisse nicht absprechen.“ Das mache „übervorsichtig“. Eine Verbindung zur Ibiza-Affäre wies er erneut zurück.

Als Argument führte Kurz außerdem an, dass man vor der besonderen Situation eines Misstrauensvotums gestanden sei. Damals sei man davon ausgegangen, dass es sehr wahrscheinlich sei, "dass wir aus dem Bundeskanzleramt ausziehen müssen". Dies hätte dann sofort passieren müssen, denn die Mitarbeiter hätten unmittelbar nach einer Abwahl der Regierung ihre Zuständigkeit verloren. Sein Mitarbeiter habe daher "in guter Absicht gehandelt". Damals sei noch nicht fix gewesen, dass die Regierung abgewählt werde. Die Geheimhaltung mit falschem Namen erklärte Kurz so: "Der Mitarbeiter wollte nicht, dass in der Zeitung steht, dass wir damit rechnen, abgewählt zu werden." 

Blaues Kernthema

Inhaltliche Ansagen gab es vom Kanzler dann kaum. Was daran gelegen haben mag, dass es weniger um ihn, sondern mehr um einen anderen ging: Herbert Kickl. Das Besondere: Der FPÖ-Politiker nahm im Anschluss selbst zum Interview Platz. Die Zuseher erlebten so zwei Politiker, die sich an diesem Abend in nur einer Sache einig waren: Dass sie sich – nach 17 Monaten Koalition – in so gut wie nichts mehr einig sind.

Auch die Interviews hätten sie unterschiedlicher nicht anlegen können. Nach dem defensiv agierenden ÖVP-Chef ging der blaue Ex-Innenminister auf Angriffsmodus.

TV-Talk: Kurz als "gebranntes Kind“, Kickl auf Angriffskurs

Kickls Zaunpläne

Inhaltlich versuchte sich Kickl mit dem blauen Kernthema, der Migration, zu profilieren: Er habe als Innenminister (wie vom KURIER berichtet) einen Zaun an der Staatsgrenze geplant, der „nicht zu überwinden“ gewesen wäre. Denn dieser wäre "nicht ein Hasenstall-Zaun" gewesen, wie ihn die Vorgängerregierung in Spielfeld errichtet habe. Dass er gleich ganz Österreich einzäunen habe wollen, sei aber ein "Unsinn".

Ob er Menschen damit Angst mache? Er habe „keinen negativen Zugang zum Begriff der Angst“, so Kickl. „Angst ist ein Überlebensprinzip.“ Dann attackierte Kickl „islamistische Hassprediger“ und sprach sich für ein Verbotsgesetz für den politischen Islam – analog zum NS-Verbotsgesetz – aus. Ein solches käme bei einer blauen Regierungsbeteiligung jedenfalls „auf die Arbeitsliste“.

Besonders uneins waren sich Kurz und Kickl bei der Beurteilung der Person Kickls selbst: Letzterer wies nicht nur jede Beteiligung an der Ibiza-Affäre („Mein Motto: Berge statt Balearen“) von sich, sondern warf Kurz vor, die „fixe Vereinbarung“, die Koalition mit Vizekanzler Norbert Hofer weiterzuführen, gebrochen zu haben. Kurz sei „ein Getriebener“ gewesen, der ihn auf Drängen der niederösterreichischen ÖVP geopfert habe.

Kurz sah das zuvor ganz anders: Er warf Kickl „mangelnde Sensibilität“ bei heiklen Themen vor – und kritisierte sein Wirken im BVT-Skandal. Das habe ihn untragbar gemacht.

Wie sieht Kurz eine neuerliche Koalition mit Kickl? „Ich habe großes Verständnis dafür, wie Gernot Blümel die Dinge sieht“, versuchte Kurz auszuweichen. Der Ex-Minister hatte zuletzt eine Zusammenarbeit mit Kickl ausgeschlossen – „Wurscht auf welchem Sessel“.

Helmut Brandstätter stellt Buch über Kurz und Kickl vor

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