Gratiszahnspange: "Husch-Pfusch-Lösung"

Ein Zahnarzt untersucht das Gebiss eines Patienten mit Spiegel und Sonde.
Kieferorthopäden und Zahnärzte haben ihre Zweifel an den Plänen der Regierung: das Vorhaben sei unrealistisch und teurer als budgetiert.

Das Wahlkampfversprechen der SPÖ, die Gratiszahnspange, kommt tatsächlich. Allerdings: Die Gratiszahnspange kommt nicht sofort und bei weitem nicht für alle Kinder und Jugendlichen. Ab Juli 2015 wird diese gratis sein, allerdings nur für jene Minderjährigen, die eine massive Zahnfehlstellung haben. Gesundheitsminister Alois Stöger von der SPÖ rechnet mit nicht ganz 30.000 Kindern pro Jahrgang, demnach ein Drittel eines Geburtsjahrgangs.

Mehrkosten befürchtet

Grundsätzlich begrüßt Silvia Silli vom Verband Österreichischer Kieferorthopäden das Vorhaben der Regierung als wichtigen Schritt. Dass die Mehrkosten für die Gratis-Zahnspangen aber nur 80 Millionen Euro pro Jahr ausmachen werden, wie vom Ministerium berechnet, bezweifelt sie: Sie spricht vom Doppelten.

Die Kieferorthopäden befürchten eine "Husch-Pfusch-Lösung auf Kosten der Patienten". Der Präsident des Verbandes Österreichischer Kieferorthopäden, Martin Brock, forderte daher per Aussendung qualitätssichernde Maßnahmen.

Weniger Begeisterung löste die Ankündigung auch bei der Zahnärztekammer aus. Wie Der Standard berichtet, hält die Kammer das Vorhaben für unrealistisch.

Offene Fragen

Claudius Ratschew, Sprecher der Zahnärztekammer, ortet offene Details bei der Frage der Vertragsleistung. Ungeklärt sei etwa, bei welcher Fehlstellung die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Auch die Frage, um welche Art von Regulierung es sich dabei handeln solle, sei offen. Zu Gesprächen darüber sei die Zahnärztekammer aber freilich jederzeit bereit.

Bisher allerdings habe "kein Mensch verhandelt, geschweige darüber nachgedacht", wird Ratschew vom ORF zitiert.

Ab Juli 2015 soll es Gratis-Zahnspangen für Kinder und Jugendliche geben. Gesundheitsminister Alois Stöger will das Wahlkampf-Versprechen mit 80 Millionen Euro Budget einhalten, rund 28.000 Kinder und Jugendliche sollen jährlich davon profitieren. Die Zahnärztekammer spricht von "gewürfelten Zahlen". Sprecher Claudius Ratschew kritisiert: "Das ist eine Fantasiezahl von Patienten mit einer Fantasiezahl von Geld - so geht das nicht. Das muss von Fachleuten diskutiert und berechnet werden."

So bemängelt er, die Zahnärztekammer hätte von den Plänen aus den Medien erfahren. "Man muss zuerst diskutieren, welche Fehlstellungen und Missbildungen unterstützt werden sollten, dann kann man daraus berechnen, wie viele Fälle es geben wird und erst dann kann man die Kosten abschätzen." Zu sagen, wir stellen 80 Millionen Euro zur Verfügung und dann schaut, was sich ausgeht, sei nicht die richtige Vorgangsweise.

Folgeschäden

Aus dem Ministerium heißt es, man wolle nach der internationalen IOTN-Klassifizierung auf der fünfteiligen Skala die Stufen 4 und 5 finanzieren. Das umfasse jene Fälle, bei denen eine Fehlstellung wie ein Kreuzbiss, Überbiss oder Unterkiefer-Vorbiss zu späteren medizinischen Folgeschäden führen könnten, also etwa zu Kauproblemen oder rascherer und einseitiger Abnützung der Kiefergelenke. Für leichte Fehlstellungen wie große Zahnlücken oder einen leichten Vorbiss soll es wie bisher nur einen Zuschuss geben. Den Schätzungen des Ministeriums zufolge würde rund ein Drittel eines Jahrgangs von der neuen Gratis-Zahnspange profitieren - das wären jährlich rund 28.000 Kinder.

Für die Verhandlungen müssen sich der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die Zahnärztekammer einig werden. Letztere betont, der Hauptverband hätte die Verhandlungen zuletzt vor drei Jahren einseitig abgebrochen und eine Neuaufnahme seither verweigert. Der bestehende Grundvertrag stammt noch aus dem Jahr 1957. Doch Stöger betont: "Ausreden lasse ich nicht mehr gelten. Wünsch dir was ist vorbei."

Nicht warten

Zahnärzte-Sprecher Ratschew rät Eltern inzwischen, auf keinen Fall mit nötigen Behandlungen zu warten. "Im Gegensatz zu Korrekturen bei Erwachsenen beeinflusst man mit einer Zahnspange das natürliche Wachstum - das geht nur in einer gewissen Zeitspanne." Es sei wichtig, dass dafür der richtige Zeitpunkt gewählt und nicht hinausgeschoben wird. Ratschew rät, mit dem Kieferorthopäden des Vertrauens abzusprechen, ob eine Behandlung noch bis zur Umsetzung der Gratis-Zahnspange möglich ist. "Sie sollten aber auf keinen Fall auf gut Glück warten."

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