Kein Mindestabstand: Warum die Demo-Auflösung nicht zwingend war

Kein Mindestabstand: Warum die Demo-Auflösung nicht zwingend war
Mindestabstand gilt, doch bei einer Demo gegen Polizeigewalt kann Polizei die Demo kaum auflösen. Die Optik wäre schauderhaft, sagt ein Experte.

Das Wichtigste vorweg: Der sprichwörtliche „Babyelefant“, also das Abstandhalten von einem Meter, ist keine Empfehlung, sondern rechtlich weiterhin geboten.

In der wichtigsten Verordnung zur Corona-Pandemie – der „Covid-19-Lockerungsverordnung“ – heißt es gleich im ersten Paragrafen: „Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.“

Wie ist nun die Sachlage bei Demonstrationen? Und was heißt das vor allem für eine Versammlung mit 50.000 Teilnehmern? Für den Grund- und Verfassungsrechtsexperten Bernd-Christian Funk steht eines fest: „Der Sicherheitsabstand wäre auch bei dieser Veranstaltung geboten gewesen.“ Demonstrationen werden laut Covid-19-Verordnung zwar explizit anders behandelt als Konzerte, Sportveranstaltungen oder Kongresse. Der Sicherheitsabstand gilt aber auch in diesem Fall.

Hätte die Polizei die Demo also auflösen müssen? Die Antwort ist schwierig. Die Polizei kann Versammlungen zwar auflösen, wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist. Vereinfacht gesagt gilt das aber vor allem für unmittelbare Gefährdungen wie physische Gewalt.

Ob der Verstoß gegen eine Verordnung ausreicht, um eine Demonstration aufzulösen, lässt Funk offen. Der Grund: Eigentlich obliegt es der Gesundheitsbehörde und nicht der Polizei zu entscheiden, wie gefährdet die öffentliche Gesundheit in einem konkreten Fall ist.

Verkompliziert wird alles durch die gesellschaftspolitische Dimension: Man stelle sich vor, die Polizei löst mit Gewalt eine Demo auf, bei der gegen Polizeigewalt demonstriert wird. Funk: „Pragmatisch würde ich sagen: Aus dieser Perspektive war die Demonstration kaum aufzulösen. Die Optik wäre schauderhaft gewesen.“

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