Kein Abschied am Parteitag: "Rendi-Wagner bricht mit allen Usancen"

Kein Abschied am Parteitag: "Rendi-Wagner bricht mit allen Usancen"
Ex-Geschäftsführer Josef Kalina versteht Schritt aus menschlicher Perspektive, hält ihn aber dennoch für falsch.

Sie schwenkte eine kleine rote Fahne, und während Pamela Rendi-Wagner lächelnd neben Bürgermeister Michael Ludwig stand, winkte sie den Genossen zu: Am 1. Mai war die gewählte Chefin der SPÖ auf einer imposanten Bühne zu sehen: Maiaufmarsch am Wiener Rathausplatz, es geht nicht viel größer, zumindest nicht in der Sozialdemokratie.

Einen Monat später scheint es, als wäre der Auftritt am 1. Mai gleichzeitig der letzte nennenswerte, den die gewählte Parteichefin der SPÖ hatte. Denn nachdem die 52-jährige Ärztin bei der Mitgliederbefragung nur Platz 3 geschafft hat, will sie sich konsequenterweise nicht nur schnellstmöglich aus allen politischen Funktionen zurückziehen, sondern auch den Parteitag am Wochenende auslassen.

"Ich werde am 3. Juni nicht nach Linz fahren. Dort wird ein neuer Vorsitzender gewählt, und das soll im Mittelpunkt stehen. Wer immer gewinnt, dem gratuliere ich schon heute und wünsche ihm alles Gute", sagte Rendi-Wagner zu Pfingsten in der Kronenzeitung. Nicht einmal via Live-Stream will sie fix dabei sein. Wie gesagt, sie hat abgeschlossen.

Menschlich ist dieser harte Schnitt zweifelsohne verständlich. Politische Beobachter können die Entscheidung freilich nur bedingt nachvollziehen.

Kein Abschied am Parteitag: "Rendi-Wagner bricht mit allen Usancen"

"Passt ins Bild"

"Sie bricht mit allen Usancen. Das gabs in dieser Form meines Wissen nach noch nie", sagt Josef Kalina zum KURIER.

Kalina war Bundesgeschäftsführer der SPÖ und hat sich schon vor Monaten als Kritiker von Rendi-Wagner geoutet.

Für den Politik- und Kampagnen-Berater ist es "persönlich völlig nachvollziehbar und natürlich verständlich", dass Rendi-Wagner in der Lage, "in die sie sich selbst und ihre Berater gebracht haben" keine Notwendigkeit für einen weiteren Auftritt am Parteitag sehe. "Sie kommt nicht aus dem Getriebe der Partei und hat dementsprechend wenig für die ungeschriebenen Regeln übrig."

Als gewählte Chefin einer Bewegung  mit knapp 150.000 Mitgliedern wäre es aus Kalinas Perspektive dennoch angemessen und auch klug gewesen, mit einer kurzen Rede in Linz formal die Staffel zu übergeben. "Man kann das für einen pointierten Abschied und eine symbolische Übergabe nutzen." Dass Rendi-Wagner dies nicht tue sei unüblich. Aber die SPÖ bzw. die Delegierten am Parteitag würden es ihr sicher nachsehen, glaubt Kalina. Es passe ja ins Bild. 

Kerns letzte Botschaft

Rendi-Wagners "Erfinder" und Vorgänger, Christian Kern, hat es sich bei seiner Demission 2018 nicht nehmen lassen, eine Rede am Parteitag zu halten und sich zu verabschieden. Und auch der von Sebastian Kurz gestürzte Reinhold Mitterlehner hat 2017 den Parteitag genutzt, um sich von der Parteispitze zu verabschieden und mahnende Worte an die Mitglieder zu richten: Die zentrale Botschaft des scheidenden Parteiobmanns war allgemeingültig: Eine Partei und ihre Funktionäre sollten tunlichst darauf achten, wie sie mit dem oder derjenigen umgehen, der oder die an der Spitze steht. Andernfalls müsse man keine maximale, sondern eine Mindestfunktionsperiode einführen.

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