Kahlschlag bei den Bezirksgerichten

Einer ihrer Vorgänger, Dieter Böhmdorfer (FPÖ), brachte seinen radikalen Schnitt nicht durch. Immerhin konnte er die Bezirksgerichte von 192 auf 141 reduzieren. Das ist zehn Jahre her. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) will weitere 73 Standorte schließen und (zum Teil durch Zusammenlegungen) nur noch 68 Bezirksgerichte übrig lassen, die von ihrem Aktenanfall her wenigstens vier Richter auslasten. In jedem Bundesland – mit Ausnahme von Wien – gibt es Standorte, an denen nur ein bis zwei Richter arbeiten. In Oberösterreich und Kärnten teilen sich bis zu drei Gerichte einen Richter, der ständig pendelt.
Karl feiert dieses "von mir geschnürte Paket zur Strukturreform" bereits als Erfolg, obwohl ihr erst noch die Verhandlungen mit den Landeshauptleuten bevorstehen. In einer Art Wahlrede ("mein Vorhaben ist sehr ambitioniert") versuchte die Justizministerin am Mittwoch, der Bevölkerung die eingesparten Bezirksgerichte als Zuckerl zu verkaufen: "Diese Strukturoptimierung vereinfacht die Behördenwege, es gibt nur Gewinner."
Augenmaß
Das sieht der von Karl eben erst in sein Amt eingeführte neue OGH-Präsident Eckart Ratz anders: Er mahnt bei der Reduktion von Gerichten Augenmaß ein und befürchtet eine "intellektuelle Ausdünnung" des ländlichen Raumes. Wenn es keinen Richter aus Fleisch und Blut im Ort gibt, könne sich die Bevölkerung kein Bild von der Justiz machen.
Die Justizministerin wischt diese Bedenken mit dem Verweis auf Ratz’ Vorgängerin Irmgard Griss vom Tisch, die überhaupt eine Zusammenlegung der Landes- und Bezirksgerichte vorgeschlagen hatte. Ein weiterer Anfahrtsweg zum Gerichtsstandort ist für Beatrix Karl kein Kriterium. Der Bürger habe „kein Naheverhältnis“ zu „seinem“ Bezirksgericht, er brauche es in seinem Leben durchschnittlich nur ein bis zwei Mal.
Um die verbliebenen Bezirksgerichte aufzuwerten (und die Landesgerichte zu entlasten), wird der dort verhandelte Streitwert in Zivilrechtssachen von bisher bis 10.000 auf 25.000 Euro angehoben. Bei vier oder mehr Richtern pro Standort gibt es auch die Möglichkeit, dass sich manche auf schwierige Materien spezialisieren.
Kostspielige Sicherheitsvorkehrungen
Ein entscheidender Grund für die Reduzierung der Gerichte sind auch die kostspieligen Sicherheitsvorkehrungen. Die Überwachung eines Gerichts kostet pro Jahr 40.000 Euro. Weil sich die Justiz das nicht leisten will/kann, wurden die Amtsstunden in manchen Gerichten bereits auf zwei halbe Tage pro Woche reduziert.
Kosten sparen will Beatrix Karl auch im Strafvollzug. Dort wird ein Chefarzt etabliert, der die Auswahl der Medikamente überwacht und fallweise billigere Generika verordnet. Außerdem sollen Gefangene im Maßnahmenvollzug, die derzeit in allgemeinen Krankenhäusern eine Therapie bekommen, in justizeigenen Zentren betreut werden.
Insgesamt will die Justiz mit den Reformen jährlich sechs Millionen Euro einsparen.
Reaktionen
In den Bundesländern sieht man die geplanten Zusammenlegungen mit gemischten Gefühlen. Hubert Pechlaner, einziger Richter am Bezirksgericht Jennersdorf im Burgenland, bezeichnet sich als „Allrounder“: „Ich bin nicht spezialisiert, das macht es aber auch interessant.“ Er habe sich bewusst entschieden: „Ich kenne die Bevölkerung und die Hintergründe, habe aber dennoch die nötige Distanz, ein angemessenes Urteil fällen zu können“, sieht der als streng bekannte Richter die Vorteile der örtlichen Strukturen.
Die argumentierten finanziellen Ersparnisse stellt Richter Rudolf Bauer infrage. „Je größer die Gerichte, desto anonymer wird man“, sagt er. „Das trägt dazu bei, dass sich Verfahren verlängern.“ In seinem Bezirksgericht Peuerbach, OÖ, bekomme man durchschnittlich zwei bis drei Tage nach der Verhandlung ein Urteil. „Das ist unsere Spezialität, unsere ureigenste Aufgabe hier am Gericht.“
Dem befürchteten Sterben des ländlichen Raumes setzt der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, Johannes Payrhuber-Wolfesberger entgegen, dass es bisher keine Beschwerden gegeben hätte. „Nicht einmal im Innviertel, da war die Zusammenlegung von neun auf heute vier Bezirksgerichte am massivsten.“ Vorgabe sei, dass keine Stellen abgebaut, aber Infrastrukturen besser genützt werden. Nach der ersten Schließungswelle hätten sich die Leute daran gewöhnt.
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