Trotz Krachs und leerer Kassa hält Dreier-Koalition
Vor einem Jahr haben die Kärntner das System Haider abgewählt. Mit nur noch 17 Prozent (statt zuvor 45 Prozent) wurden Haiders Erben vom Thron gestoßen.
Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle lobt die positive Veränderung des politischen Klimas im Land: "Der Umgangston bei politischen Debatten hat sich verbessert. Auch der Blick in die Zeitungen zeigt Veränderung – durch Abwesenheit von Partei-Werbung und Politik-PR. Früher wurde jeder Spatenstich und jede Preisverleihung zum gewichtigen Event hochstilisiert."
Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) führt seit April 2014 eine Dreier-Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen. Diese verfügt im Landtag über eine Zweidrittel-Mehrheit und hat sich vorgenommen, nicht nur den Stil zu ändern, sondern auch das politische System in Kärnten. Noch heuer sollen der Parteienproporz in der Landesregierung abgeschafft und die Rechte des Landtags ausgeweitet werden (gelten soll das neue System aber erst nach der nächsten Wahl).
Hohe Erwartungen
Die Dreier-Koalition hat – wie stets nach einem Wechsel – mit hohen Erwartungshaltungen in der Bevölkerung zu kämpfen. Kaiser: "Jeder wünscht sich sofortige Erfolge. Doch das ist unmöglich." Dass nun wieder SPÖ-Sekretäre Karriere im Landesdienst machen, hat für Verstimmung gesorgt, doch Kaiser kontert: "Zu Haiders Zeiten wurde hundertfach umgefärbt."
Der Postenschacher hatte zum Krach geführt, doch ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer hält grundsätzlich an der Dreierkoalition fest: "Es war die richtige Entscheidung. Die Bevölkerung wollte einen Wechsel". Obernosterer mahnt aber ein größeres Reformtempo ein: "Das zweite Jahr der Koalition wird die Nagelprobe. Da wird man sehen, ob die SPÖ den Mut zu großen Reformen aufbringt."
Für Grün-Landesrat Rolf Holub ist die neue Koalitionsform wegen der verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen "eine ständige Herausforderung. Aber sie sorgt in der momentan schwierigen Situation für einen breiten Konsens, der sich bis heute zu jedem Thema finden ließ." Die Herausforderung laute: Sparsamkeit mit nachhaltigen Investitionen zu kombinieren.
Der Schriftsteller Egyd Gstättner, einer der schärfsten Kritiker Haiders, sieht das Land "nicht am, sondern im Abgrund. Daher gibt es keinen Anlass für Freudenrufe." Jetzt gelte es, die Altlasten aus der Ära Haider aufzuarbeiten, was viele Jahre dauern werde. Das Land müsse wieder handlungs- und zahlungsfähig werden.
Der größte Gewinn für Kärnten seit der politischen Wende vor einem Jahr ist immateriell. "Man kann wieder frei atmen, frei denken": Das sagen die meisten Kärntner und Kärnten-Besucher auf die Frage, was sich verändert hat.
Der blaue Dunst über dem Land hat sich zwar verzogen, aber das ökonomische Desaster ist noch lange nicht verdaut. Kärnten balanciert am Rande des Abgrunds. Vier Milliarden Schulden sind aus der Ära Haider/Dörfler (1999 bis 2013) geblieben, fast doppelt so viel wie ein Jahresbudget. Als Folge des Hypo-Desasters kreist der Pleitegeier über Kärnten.
Landeshauptmann Peter Kaiser ( SPÖ) konnte seinen Wahlsieg nur kurz genießen. Seither ist er unermüdlich unterwegs, das Schlimmste von Kärnten fernzuhalten.
Die Versäumnisse von Ex- Finanzministerin Maria Fekter bei der Abwicklung der Hypo korrigierte er, indem er selbst nach Brüssel zu Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia fuhr. Dieser machte ihn aufmerksam, dass die Kärntner Hypo-Tochter zu verkaufen sei, sonst müsse er die Bank zudrehen. Folge: Insolvenz von Bank und Land. Kaiser entschied, die Kärntner Hypo bleibe die Geschäftsbank des Landes, um sie attraktiv für einen Käufer zu machen. Andere Banken rannten ihm die Tür ein. Sie wollten das lukrative Wohnbaugeschäft übernehmen und schreckten Kaiser, dass im Fall einer Hypo-Insolvenz die Kärntner Wohnbaugelder bis auf die 100.000 € Einlagensicherung verloren wären. "Ich habe aber die Nerven behalten", sagt Kaiser rückblickend. Und so den Bankverkauf ermöglicht, die Insolvenz abgewendet und 400 Arbeitsplätze in Kärnten gerettet.
Aktuell redet sich Kaiser in Wien den Mund fusselig, dass die Rest-Hypo nicht in Insolvenz geschickt wird, weil immer noch 12,5 Milliarden Landes-Haftungen dran hängen. Er klappert die Minister ab, auch jene, die ressortmäßig nichts mit der Causa zu tun haben. So warb er für Kärnten bei Wolfgang Brandstetter, Sophie Karmasin, Rudolf Hundstorfer und Doris Bures.Mit dem Kanzler ist er in Dauerkontakt. Kaiser setzt sich auch mit Argumenten der Insolvenzbefürworter auseinander und berät sich mit sachkundigen Wiener Wirtschafts-Anwälten.
Trotz seiner Werbetour ist ihm bewusst, dass das Insolvenz-Szenario an Boden gewinnt. "Ich bin total dagegen, aber eines weiß ich: Sollte es zur Insolvenz kommen, werde ich jede einzelne Gläubiger-Forderung vor Gericht bekämpfen."
Vermögen hat Kärnten kaum mehr, hauptsächlich die Kelag-Anteile und den Zukunftsfonds. Beides ist mit Zweidrittelmehrheit im Landtag abgesichert, und Kaiser will sie mit Zähnen und Klauen verteidigen: "Es kann in niemandes Interesse sein, ein Bundesland völlig auszuräumen." Es wäre auch nicht im Sinne des Bundes: "Wir könnten unsere Maastricht-Ziele nicht mehr erfüllen und müssten erst recht wieder Geld vom Bund bekommen."
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