Jörg Haider: Hat er die Republik verändert?

Jörg Haider: Hat er die  Republik verändert?
Brandstätters Blick. Auch zehn Jahre nach seinem Tod ist er der Politiker der großen Widersprüche.

In dieser neuen wöchentlichen Kolumne soll es auf eine einfache Frage eine klare Antwort geben. Jörg Haider macht den Beginn, der Mann, der mit Worten und Emotionen dieses Land oft ziemlich in Unruhe versetzt hat. Aber: Hat er auch die Republik verändert?

Sicher ist , dass er sich auf seinem politischen Weg des Öfteren in Sackgassen verloren hat, dann wieder Wendungen hinlegte, die die Bevölkerung keinem anderen Politiker verziehen hätte und Erfolge feierte, die er selbst wieder zunichte machte. Eine der ganz großen Begabungen auf der politischen Bühne der Zweiten Republik hat mehr verunsichert als aufgebaut, aber genau das hat er auch genossen, wahrscheinlich mehr als die Veränderungen, die er zweifellos geschafft hat. Wobei nicht alle Folgen seines politischen Lebens zum Zeitpunkt seines Todes absehbar waren, vor zehn Jahren, in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober.

Jörg Haider: Hat er die  Republik verändert?

Das BZÖ – ein letzter Versuch

In dieser Nacht hatte er bereits das Meiste von dem, was er aufgebaut hatte, wieder verspielt. Seine politische Heimat, die FPÖ, hatte er fast ausgelöscht. Mit dem neuen Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) konnte er bei der Nationalratswahl im September 2008 zwar 10,7 Prozent erreichen, deutlich mehr als zwei Jahre zuvor, und Kärntner Landeshauptmann hätte er auch noch lange bleiben können, aber sein großer Einfluss auf die Bundespolitik war vorbei, wie seine internationalen Abenteuer mit Saddam Hussein. Er hatte alles an Provokationen und Regelverstößen ausgereizt.

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Kraft durch Provokation

Jörg Haider war nicht mehr gefürchtet. Das hat er gespürt, und das hat ihm viel Kraft genommen.

Dabei hatte er sehr konstruktiv begonnen. Ohne das heute übliche Datenmaterial erkannte der Oberösterreicher schnell, dass eine deutschnationale Partei wie die FPÖ in Kärnten Erfolg haben müsse. 1976 ging er mit 26 Jahren als Landesparteisekretär nach Klagenfurt, die FPÖ hatte im Jahr davor 11,8 Prozent erreicht, aber 1949 waren es über 20 Prozent gewesen. Die Sozialisten regierten seit Jahrzehnten, doch 1989 konnte er deren absolute Mehrheit brechen. Dazwischen lag eine Phase als sozialpolitisch engagierter Abgeordneter – Haider hätte aus der FPÖ auch eine sozialliberal orientierte Partei nach dem Vorbild der deutschen FDP machen können.

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Rechtsruck in Innsbruck

Aber er beobachtete FPÖ-Vizekanzler Steger, der seit Beginn der kleinen Koalition mit der SPÖ im Jahr 1983 an Zustimmung verlor, und er merkte, dass er mit Provokationen Aufsehen – und mit der Unterstützung der Deutschnationalen eine Mehrheit in der FPÖ bekommen konnte. Beim Innsbrucker Parteitag im September 1986 ließ er sich wie ein Volkstribun durch die Halle tragen. SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky bot ihm mit der Beendigung der Koalition auch gleich die Chance, sich „ausgegrenzt“ und als „Opfer des Systems“ darzustellen. Das funktionierte, vorgetragen mit seinem enormen Talent für die öffentliche Wirkung, im persönlichen Kontakt wie in Medien.

Ein Nazi-Spruch zu viel

Der Opfermythos wirkte, jedenfalls in Kärnten, 1989 brach er die Absolute der SPÖ, wurde mit 29 Prozent stärker als die ÖVP und ließ sich von dieser zum Landeshauptmann wählen. Vielleicht wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn Haider sein Amt nicht weiter für Provokationen verwendet hätte. Dass die Nazis eine „ordentliche Beschäftigungspolitik“ verfolgt hätten, konnte die ÖVP nicht akzeptieren – aber jetzt war der Gestürzte erst recht motiviert.

Und es gab ja genug zu kritisieren an einer Regierung, die im Stile der früheren Großen Koalitionen Posten verteilte und Privilegien verteidigte. SPÖ und ÖVP hatten zwar die verstaatlichte Industrie als Spielwiese verloren, die war ja pleite gegangen, aber Bürokratie, Kammern und die Nationalbank boten dem FPÖ-Klubobmann ausreichend Angriffspunkte. Das erste der berühmten Taferln galt einem schwarzen Betriebsrat der Nationalbank, der mit wenig Ausbildung so gut wie eine Führungskraft verdiente. Dann folgte der Angriff auf die Arbeiterkammer, den roten steirischen Direktor erwarteten nach seiner Pensionierung 260.000 Schilling, weit mehr als der ohnehin schon hohe Aktivbezug.

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Privilegien als Wahlturbo

Hier wirkt Haiders Politik bis heute nach. Es wurden Einkommenspyramiden geschaffen und Privilegien abgebaut. Der Neid auf die im Vergleich zur Privatwirtschaft geringen Politikergehälter ist aber noch gestiegen, ein zweifelhafter Erfolg. Und dass er selbst nicht mit den 66.000 Schilling auskam, die er als Höchstgrenze in der Politik verordnete, weiß man heute auch. Seine Anhänger hätten ihm auch das verziehen, er durfte mit Porsche und teuren Uhren protzen.

Eines konnten spätere Populisten lernen: Diese Art von Politik wird aggressiv vorgetragen, gegen politische Gegner, gegen die Medien, gegen „die da oben“, die es sich gerichtet hätten – er, der wohlhabende Erbe des Bärentals. Im Report-Studio musste er einmal zusehen, wie FPÖ-Delegierte auf einem Parteitag antisemitische Sprüche in die Kamera sagten. „Der Antisemit sind Sie, wenn Sie so etwas zeigen.“ Und nach der Sendung ganz fröhlich:„Heute haben wir es uns wieder gegeben.“

„Er hat euch nicht belogen“

Mit seiner Form der Kommunikation veränderte er das Land mehr als durch seine Politik. Darauf bauen Populisten heute mit den modernen Medien auf. Da geht es weniger um Fakten als um die Aktion. Die Landesbank Hypo Alpe Adria wurde für teure Prestigeprojekte missbraucht, riesige Haftungen taten ihr Übriges. Die Gier nach internationaler Bedeutung wurde teuer für alle Österreicher. Die anderen Parteien, die mitspielten, ließen sich blenden. ÖVP-Chef Josef Martinz ging dafür sogar ins Gefängnis: „Es war ein Fehler, sich mit Dr. Haider einzulassen“ sagte er zu spät. „Er hat euch nicht belogen“ – Dieser Haider-Slogan aus dem Jahr 1995 wurde sehr teuer widerlegt.

Über seine Reisen in den arabischen Raum, vorzugsweise zu grausamen Diktatoren, hat Haider 2003 ein Buch geschrieben. Seine irrlichternde Form von Außenpolitik hat dann nur mehr verwundert.

Wir schauen bei Privilegien genauer hin, das hat er erreicht. Dass seine Partei diese genau so ausnützt, war schon zu seinen Lebzeiten so. Dass das 3. Lager auch ohne ihn erfolgreich sein kann, hätte Haider nie geglaubt. Personen sind wichtig in der Politik aber sie sollen sich nicht überschätzen. Diese Lehre hat er auch hinterlassen.

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