Häupl: „Nulllohnrunden sind ein Unfug“

Ohne Michael Häupl geht auch beim Milliarden-Sparpaket nichts. Mitte Jänner trafen sich daher die Regierungsspitzen Werner Faymann und Michael Spindelegger mit den beiden mächtigsten Länderchefs, Wiens Michael Häupl und Niederösterreichs Erwin Pröll zu einem vertraulichen Gespräch, wie der KURIER berichtete. Im KURIER-Interview über das Sparpaket sagt Häupl erstmals auch, worum es damals wirklich ging: Pröll und Häupl legten ihr Veto gegen die Pläne ein, den Ländern ihren Drittel-Anteil an neuen Steuereinnahmen streitig zu machen – offenbar durch die Bank erfolgreich.
KURIER: Herr Bürgermeister, Österreich leidet unter sibirischer Kälte. Wie frostig ist das Klima in der Koalition bei den Verhandlungen über das Sparpaket noch?
Michael Häupl: Das unterscheidet sich wesentlich von unseren derzeitigen Außentemperaturen. Ich verstehe auch die Aufgeregtheit der letzten Wochen nicht. Trödeln sollte man nie, aber ob die Einigung jetzt ein oder zwei Wochen früher oder später erzielt wird, halte ich nicht für entscheidend. Beide Parteien sind sich dessen bewusst, dass am Ende ein gutes Ergebnis stehen muss.
Umstritten ist noch, wie hoch der Anteil an Steuererhöhungen am Paket sein soll. Bleiben Sie bei der Formel 70:30 zugunsten von Steuern?
Das war eine versuchte Hilfestellung für meinen Bundesparteivorsitzenden. Wenn am Ende Halbe-halbe herauskommt, dann bin ich auch zufrieden. Für mich muss der Grundeindruck der sozialen Gerechtigkeit gewährleistet sein. Denn der Herr Strache wird auch bei den Einsparungen nicht applaudieren. Da kommt sowieso nur Ablehnung und Negativismus. Daher sollten wir uns darauf konzentrieren, ein Paket zu schnüren, das sowohl den Vorstellungen von Sozialdemokraten als auch denen der katholischen Soziallehre entspricht.
Bei den 11 Milliarden Förderungen will die VP 15 Prozent einsparen. Realistisch?
Auch wir werden mit dem Haarpinsel unsere Förderungen durchkämmen. Ob dann unterm Strich eine höhere Millionensumme herauskommt oder nicht, weiß ich noch nicht.
Millionensumme? Hier soll mehr als eine Milliarde eingespart werden.
Wien allein wird keine Milliarde bringen können. Was andere hier leisten können, weiß ich nicht. Wien ist aber mit Niederösterreich schon dabei, Doppelförderungen abzubauen. Wenn jemand in Wien eine geförderte Wohnung und in Niederösterreich einen geförderten Zweitwohnsitz hat, dann gibt es die Förderung nur noch am Hauptwohnsitz. Ich weiß, dass ich hier einigen Wählern auf die Zehen trete. Aber denen muss ich sagen: Sorry, das ist nicht in Ordnung und nicht gerecht. Dort, wo datenschutzkonform Daten ausgetauscht werden können, haben wir das schon bilateral zwischen Wien und Niederösterreich unterbunden. In Zukunft wird es überall abgeschafft.

Über die Besteuerung des Gewinns von Umwidmungen gibt es in der Regierung schon Konsens. Ein Gerangel gibt es aber darum, wer die Steuer kassiert. Einige Bundesländerpolitiker, auch solche aus Wien, wollen die neue Steuer zu hundert Prozent einbehalten. Sie auch?
Nein, wenn das eine gemeinschaftliche Bundesabgabe wird, die auf die übliche Weise zwischen Bund und Ländern verteilt wird, dann ist das okay. Anders ist das bei der Grundsteuer, wo wir vom Verfassungsgerichtshof angehalten sind, etwas zu tun, weil das Auseinanderklaffen zwischen Einheitswert und Verkehrswert sehr bedenklich ist. Das war und ist ausschließlich eine Gemeindesteuer. Die Einnahmen gehen daher per Definitionen zu hundert Prozent an uns.
Nach der Umwidmungsabgabe kommt auch noch eine Anhebung der Grundsteuer?
Das kann gemeinsam mit dem Sparpaket oder auch danach sein, da ist mir alles recht.
Wird die Regierung auf dem Verteilungsschlüssel zwei Drittel für den Bund und nur ein Drittel für Länder und Gemeinden bestehen?
Bei dem vertraulichen Treffen zwischen den beiden Regierungsparteichefs, Landeshauptmann Erwin Pröll und mir, das der KURIER vor zwei Wochen groß publiziert hat, ging es im Wesentlichen um eines: Um die Überbringung der Botschaft, dass wir wollen, dass alle geplanten steuerlichen Maßnahmen gemeinschaftliche Bundesabgaben sind und bleiben ...
... und dass nicht, wie da und dort beabsichtigt, Sondersteuern eingeführt werden, die zu hundert Prozent der Bund kassiert?
Ich werde das jetzt ganz seriös formulieren: Das war die Botschaft von Erwin Pröll und von mir an die beiden Bundesvertreter.
Die Botschaft ist angekommen und wird erfüllt?
Ich weiß nicht, ob sie erfüllt wird. Ich hoffe, sie ist angekommen, aber die Botschaft entsteht bekanntlich beim Empfänger.
Was halten Sie von der geplanten Sondersteuer für Beamte? Sie sollen einen Steueraufschlag von drei Prozent als Entgelt für den gesicherten Arbeitsplatz zahlen.
Ich sitze nicht im Verhandlerteam und möchte daher auch keine Einzelvorschläge kommentieren. Ich sage nur grundsätzlich, dass ich eine Nulllohnrunde weder bei Beamten noch bei anderen Berufsgruppen für gescheit halte. Ich halte das aus volkswirtschaftlichen Gründen für einen Unfug. Dass wir über die Krise von 2008 bis 2010 halbwegs gut rübergekommen sind, haben wir zu einem Gutteil der Binnennachfrage zu verdanken. Daher halte ich es nicht für gut, wenn wir die Kaufkraft für die Binnennachfrage durch Nulllohnrunden einbremsen.
Beim Portier im Ministerium wird das Argument mit der Kaufkraft stechen, beim Sektionschef nicht mehr.
Das ist richtig. Aber es gibt viel mehr Portiere als Sektionschefs. Wegen den paar Sektionschefs zahlt sich eine Nulllohnrunde nicht aus.
Politiker leben schon seit vier Jahren mit einer Nulllohnrunde. Soll und wird die Politik noch mehr bei sich sparen? Verkleinerung des Parlaments von 183 auf 165 Abgeordnete wie vom Kanzler angedacht? Kürzung der Parteienförderung?
Der Nationalrat soll machen, was er meint. Wir werden Akte setzen, die den klaren Willen zu Reformen symbolisieren. Ich verhehle aber nicht, dass ich das für blanken Symbolismus halte.
Warum?
Weil es in der Sache gesehen gar nichts bringt und in Wirklichkeit wieder nur Populisten nach dem Mund redet. Glauben sie im Ernst, dass ich einen Dankesbrief bekommen habe dafür, dass die Politiker vier Jahre lang eine Nulllohnrunde gehabt haben?
Politiker-Nulllohnrunden, eine sinnlose Selbstkasteiung?
Die Leute merken, dass das alles nur symbolische Handlungen sind. Es bringt sehr wenig und wird kaum honoriert. Im Gegenteil. In der Wirtschaft erfolgreiche Menschen sagen: „Ihr Politiker seid überhaupt skurril. Wenn der Finanzminister der Republik Österreich so viel verdient wie jemand in der dritten Führungsebene einer Bank, dann stimmt bei euch etwas nicht.“
Warum lässt die Politik diese Selbstentwertung dann nicht bleiben?
Weil wir uns dem nicht entziehen können. Ich will bei einem Sparpaket mich nicht von den Medien ständig löchern lassen, warum wir bei uns nichts tun. Das interessiert mich auf Dauer nicht. Wenn, will über etwas anderes streiten.
Zum Beispiel über den von der Regierung geplanten Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst, den Sie als Chef von 60.000 Gemeindebediensteten auch kritisch sehen?
Erst heute habe ich wieder einen Radiobeitrag gehört, in dem von zu wenigen Kindergärtnerinnen, Polizisten und Lehrern die Rede war. Wenn ich mir das alles vor Augen führe, dann braucht man wahrscheinlich in Wien um 4000 Leute mehr. Natürlich kann man sagen, die spart man woanders ein. Da bin ich für jeden Vorschlag dankbar. Ich weise nur darauf hin, für jeden Straßenbahnfahrer, den man einspart, fährt eine Straßenbahn weniger.
Sie sind gegen einen Aufnahmestopp?
Ich bin gegen einen Aufnahmestopp, bin aber für maximale Effizienz im Hinblick auf Personal. Die Stadt Wien hat rund 60.000 Mitarbeiter. Wir haben im Vorjahr mehr als 500 Mitarbeiter für den Kindergartenbereich aufgenommen und trotzdem den Personalstand der Stadt nur um 80 erhöht.
Bei der Reform des Gesundheitssystem hat Ihre Stadträtin Sonja Wehsely diese Woche im KURIER erstmals einen Durchbruch vermeldet. Die überlaufenen und teuren Spitalsambulanzen sollen entlastet werden. Reicht das?
Das ist eine Superidee. Wir müssen dann aber auch die Frage erfolgreich beantworten: „Wo finde ich am Wochenende einen Kinderarzt?“ Da muss uns der Gesundheitsminister helfen – und er will das ja auch. Um mit den Ärzten auszuhandeln, dass es in ihren Kassenverträgen fixe Öffnungszeiten gibt – auch am Wochenende. Ich bin dann gerne bereit, eine Kampagne zu machen, dass auch am Wochenende der primäre Ansprechpartner der praktische Arzt oder der niedergelassene Facharzt ist. Wenn die Ärzte das nicht machen, dann möchte ich aber auch nicht mehr hören: Wir sind die Verschwender, weil wir das nicht gescheit organisieren können und die Leute die Ambulanzen stürmen.
In der Steiermark haben es der rote Landeshauptmann Franz Voves und sein schwarzer Vize Hermann Schützenhöfer geschafft, ohne Theaterdonner ein Sparpaket zu zimmern. Warum schaffen das Werner Faymann und Michael Spindelegger nicht?
Die Regierung versucht es ja. Aber der mediale Druck ist in Wien einfach größer.
Medien stellen da wie dort Fragen, das ist ihr Job. Wie geantwortet wird, liegt da wie dort bei der Politik.
Das ist korrekt, sehr korrekt. Das versuche ich ja auch immer manchen meiner Kollegen beizubringen. Sie müssen ja nicht antworten. Voves und Schützenhofer haben sich tatsächlich zwei oder zweieinhalb Monate abgeschottet. Das kann man in der Steiermark vermutlich leichter als in der Republik Österreich. Aber es ist im Prinzip richtig: Man kann sich ausmachen, jetzt muss einmal für einige Zeit Ruhe sein. Aber gackert man nicht, wird man von den Journalisten wahrscheinlich nicht geliebt.
Das halten Sie aus?
Das bereitet mir in meinem Alter weniger Schmerzen als noch vor zehn Jahren.
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